■ Schüsse wirken nach: Dicke Luft in Kopenhagen
Die Nacht nach dem Referendum in Dänemark über den Maastricht-Vertrag brachte Ungeheuerliches: Die Auseinandersetzungen in den Straßen Kopenhagens zwischen Steine werfenden Jugendlichen und der Polizei führten dazu, daß Polizisten zum ersten Mal in der dänischen Geschichte direkt in eine Demonstration schossen.
Der in den Medien generell zurückbleibende Eindruck war, daß die Polizei schlecht auf die Konfrontation vorbereitet war. Vor allem die Polizeiführung wurde scharf kritisiert. Sie hat nämlich die einfachen, von den Ereignissen überforderten Polizisten allein auf sich gestellt gelassen. Die Dinge gerieten außer Kontrolle. Und innerhalb der gesamten Polizei dominiert nun das Gefühl, sie müsse für das Versagen einer schlechten Polizeiführung büßen.
Die Einwohner des Kopenhagener Stadtteils NØrrebro, dem Schauplatz der gewalttätigen Auseinandersetzungen, lassen am Verhalten der Polizei kein gutes Haar. Doch auch für die jugendlichen Steinewerfer gibt es wenig Verständnis. NØrrebro hat nein gesagt zum Maastrichter Abkommen, ein überzeugendes Nein. Und in dem Stadtviertel ist die Frustration groß über die Zustimmung der Mehrheit der Däninnen und Dänen zu Maastricht. Nun ist auch noch das Vertrauen in die Polizei zurückgegangen. Wer durch die Straßen spaziert, registriert außerdem ein Stück Verbitterung darüber, daß die Polizeischüsse dazu geführt haben, bei den Jugendlichen neue Feindbilder zu kreieren. AusländerInnen waren nicht verwickelt in die gewalttätigen Auseinandersetzungen, doch genau wie die anderen Bewohner NØrrebros befürchten sie, daß diese in Dänemark bisher nicht gekannte Art der Konfrontaton weitere unangenehme Folgen haben wird für das Verhältnis zwischen BürgerInnen und Polizei.
Den Leuten von NØrrebro ist unbehaglich zumute. Alle wollen wissen, wie es zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen konnte und welche Fehler die Polizei gemacht hat. Die vergiftete Atmosphäre wird nur langsam verschwinden. Annegrethe Rasmussen
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