Schüler vergeben Noten: Nur ein "befriedigend" für Lehrer
Eine Umfrage unter Schulkindern zeigt: Lehrkräfte brauchen Nachhilfe in den Fächern "Gerechtigkeit" und "Kinder unterstützen".
HANNOVER taz Was denken Kinder über ihre Lehrerinnen und Lehrer? Bisher konnte man sich nur die Bewertungen auf Onlineportalen wie "Spickmich" anschauen. Das aber hat einen entscheidenden Nachteil: Die Bewertungen dort sind nicht repräsentativ.
Der niedersächsische Sozialforscher Christian Pfeiffer hat nun auf der Bildungsmesse "didacta" in Hannover erste Ergebnisse einer umfangreichen Befragung unter 8.000 Viertklässlern und 45.000 Neuntklässlern in Deutschland vorgestellt. Für die vom Bundesinnenministerium geförderte Studie ließ Pfeiffers Team die Kinder unter anderem auch ihre LehrerInnen benoten, und zwar in drei Kategorien: Wie spannend und lehrreich ist der Unterricht? Wie gerecht sind die Lehrerkräfte? Wie stark unterstützen sie die SchülerInnen bei ihren Problemen?
Das Urteil der Viertklässler fällt noch recht positiv aus, die SchülerInnen verteilen in allen Dimensionen im Schnitt ein "gut". Auffällig sind allerdings die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen. So schätzen die Jungen im Vergleich zu den Mädchen ihre LehrerInnen als ungerechter ein und fühlen sich auch deutlich weniger unterstützt. "Die Jungen verspüren offenbar ein Wärmedefizit", sagte Pfeiffer bei der Vorstellung der Studie.
Deutlich unzufriedener mit ihren LehrerInnen sind die Neuntklässler. Sie vergeben im Schnitt ein "befriedigend", wobei die SportlehrerInnen noch am besten abschneiden. Jüngere Lehrerinnen und Lehrer werden allgemein besser benotet als ältere, was Pfeiffer auch auf ein mögliches Ausgebranntsein im Alter zurückführt.
Am schlechtesten schneiden ältere LehrerInnen im Fach Geschichte an den Gymnasien ab. Ihre SchülerInnen geben ihnen im Schnitt eine 3,4. Vor allem didaktisch attestieren ihnen die Kinder Defizite. Ihr Unterricht wird als wenig spannend und lehrreich eingeschätzt. Insgesamt wird jede zehnte Lehrkraft von den SchülerInnen als "mangelhaft" bewertet.
Deutsche und nicht-deutsche Neuntklässler beurteilen die Leistungen ihrer LehrerInnen sehr ähnlich. Allerdings fühlen sich Migrantenkinder, vor allem die türkischer Herkunft, im Schnitt ungerechter behandelt.
Pfeiffer plädierte für eine "Feedback-Kultur" an den deutschen Schulen. Vorbild könne Neuseeland sein, wo laut Pfeiffer Lehrkräfte nicht nur regelmäßig von ihren Klassen evaluiert werden, sondern auch ihre Karriere von deren Bewertung abhängt.
Pfeiffer und sein Team vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, das auch zu Jugendgewalt forscht, haben für die Studie auch den umgekehrten Fall untersucht: Wie beurteilen Lehrkräfte die Kinder? Besonders auffällig waren zwei Details bei den Viertklässlern: Allgemein benoteten Lehrer die Kinder schärfer, als es Lehrerinnen tun. Speziell Mathematiklehrer bewerteten türkische Mädchen massiv schlechter als andere Kinder in ihren Klassen - was dramatische Konsequenzen für die spätere Bildungskarriere dieser Mädchen haben kann. Schließlich entscheidet sich in den meisten Bundesländern in der vierten Klasse, welche weiterführende Schule die Kinder besuchen.
Pfeiffer kann sich noch nicht alle Ergebnisse der Studie schlüssig erklären. Dennoch findet er: "Auf diese Befunde muss unser Schulsystem reagieren."
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