Breitwand-Phantasie: Schritte ohne Fortschritt
Manche Leute geben sich beste Mühe, ihre Zielorte am Wochenende auf Wegen zu erreichen, die sie sonst nicht nehmen würden. Der Abwechslung halber. Um das Gefühl zu vermeiden, jeden Tag passiere das Gleiche. Und um nicht am Sonntag schon daran erinnert zu werden, dass ein Montag kommt.
Es ist ein Montag Morgen, an dem den Leuten recht unangenehm auffällt, dass sie nirgends mehr ankommen. Ständig landen sie da, wo sie gestartet sind. Sie konzentrieren sich darauf, geradeaus zu gehen und laufen offensichtlich doch im Kreis. Die Schritte werden schneller, aber es gibt keinen Fortschritt. Am Straßenrand werden Stadtpläne entfaltet. Am Kiosk gibt‘s keine Bild mehr und keinen Weser Kurier und bei der taz ist die Titelseite weiß. Erhältlich ist nur noch Kafka und Beckett, als Gesamtausgabe, kleingedruckt auf Altpapier. Die Leute gehen ins Polizeihaus und suchen den Wachmann. Es gibt erste Zusammenstöße im Treppenhaus. Blutige Nasen.
Oben am Himmel ein Ballon, die Leute winken, schreien nach Hilfe, wollen hier raus – der Ballonfahrer lacht. Später wurde berichtet, um den Hals wäre ihm eine Digitalkamera gehangen.
Viel später fand man heraus, dass es gar kein Ballon gewesen war, sondern ein Segelflugzeug. An Bord war der Bremer Filmemacher und Fotograf H. Joachim Hofmann. Die Verzweiflung der Bremer packte er in die Chiffre „ein sentimentales Spiel mit der Symmetrie“. Und Berlin fotografierte er nur vom Boden aus.
„19 Übungen zur Wahrnehmung“ füllen bis zum 7. August die Galerie Café Grün am Fedelhören 73, die zwei Bilder „Innenstadt Bremen Luftaufnahme 1“ (oben) und „Polizeihaus Bremen innen“ (unten) füllen heute die taz. Darüber hinaus wird H. Joachim Hofmann seine legendären Bremer Kurzfilme inklusive 15 % Trickfilmgarantie zu einem abendfüllenden Filmprogramm zusammenfügen. Im Café Grün am 30.7. um 21 Uhr.
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