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Schrilles Frauenleben

■ Mäßig furiose Cabaret-„Furien“ in der Schauburg

Sie nennen sich Furien, die fünf Cabaret-istinnen aus Oldenburg. Das weckt Erwartungen - auf Zorn, Wut, wilde Weiber, furioses Tempo. Aber es beginnt eher bräsig: op platt. Ein altes Väterchen mit Hochwasserhosen und ein ebenso altes Mütterchen mit Kompotthut schnacken über Gott und die Welt und vor allem über ihre Tochter Susi, die sich immer noch nicht an den Mann und es ergo auch noch nicht zu einem (Enkel-)Kind gebracht hat. Eine Tochter, die den alten Eltern so rein gar nix zum Vorzeigen bietet - ist es nicht zu und zu unerhört! Ja, das ist ein Problem, so recht aus dem vollen Frauenleben gegriffen, wie ich es mir immer schon im Frauencabaret so rotzfrech aufgespießt wünschte.

Aber vielleicht muß man den Hintergrund bedenken, vor dem die „Furien“ vor Jahren entstanden sind: den kohlrabenschwarzen Katholizismus in Vechta. Dort mögen ja Nummern wie die ganz hübsche, aber harmlose „Verhütungsrevue“ als Zumutung wirken, in der Pille, Spirale, Fieberthermometer, Diaphragma und Schaumovulus auf die Bühne tänzeln: sich uns zu unserer Befreiung anbietend.

Die Cabaretistinnen knöpfen sich aber auch brisantere Themen vor: doch warum bloß verkünden sie uns ihre Absicht so dreifach und möglichst explizit? Zum Beispiel in jenem Sketch, in dem eine Frau, pantomimisch, vor dem

Spiegel ihre imaginären Fettpölsterchen befingert, zum Kühlschrank hastet, sich vollstopft, zum Klo rennt, kotzt, sich vor dem Spiegel ... Das Bild ist deutlich, so könnte es stehenbleiben. Aber jetzt sprechen die Sozialarbeiterinnen aus den Furien. Aus dem off ist eine „innere Stimme“ zu hören: sie kotzt, weil das Leben so zum Kotzen ist, sie hungert sich zu Tode aus Hunger nach dem Leben. Das hätten wir uns lieber selbst zurechtgereimt.

Ziemlich mühselig anzuschauen sind vor allem die witzig gemeinten Szenen, in denen die „Furien“ versuchen, amerikanische Showelemente zu parodieren. Aber mit dem Hintern zu wackeln und eine Art Englisch ins Mikro zu hauchen, ist dafür doch gar zu wenig. In einer Szene jedoch zeigt Susanne Hennig Sinn für eine derbe Komik, die man sich häufiger in ihrem Programm wünschte: als Frau Prof. Dr. Mannesmann in zipfeligem grauem Flanellrock und flachen Tretern versucht sie einen Vortrag zu halten über die Gefahren, die von den offensiven Lesben drohen, und sie verheddert sich dabei so in ihrer Angstlust und den Falten ihres Rockes, an dem sie zerrt und zurrt und sich festklammert, daß man vergnüglich angespannt auf ihren Absturz wartet. Ein durchaus furioser Auftritt. Aber ansonsten waren weniger Furien zu sehen, als Dilett-Tanten. Christine Spies

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