Schriftsteller Patrice Nganang: Regierungskritiker verschwunden
Der Schriftsteller stellt sich gegen das autoritäre Regime in Kamerun. Einen Flug nach Simbabwe tritt er nicht an, es fehlt jede Spur von ihm.
Er gehört zu den Schriftstellern, die immer den Mut und den schonungslosen Blick bewahren. Als Patrice Nganang für die taz vom Kriegsverbrecherprozess gegen Liberias Exdiktator Charles Taylor in Den Haag berichtete, schrieb er von der „Eleganz des Bösen“ und beschrieb den Angeklagten treffend als „Narziss“, der den gesamten Prozess gegen ihn für eine Inszenierung hält: „Ganz gewiss betrachtet er sich morgens lange im Spiegel, nachdem er sich parfümiert hat.“
Zuletzt verbrachte Patrice Nganang einen Monat in seinem Heimatland Kamerun, das sich nach mehrmonatigen Unruhen im anglophonen Landesteil auf dem Weg in den Bürgerkrieg befindet, vor allem seit Präsident Paul Biya zum Kampf gegen „Terroristen“ aufgerufen hat. „Wer sind die Pyromanen? Wer sind die Terroristen?“, fragte Nganang in einem Reisetagebuch, das die Pariser Wochenzeitschrift Jeune Afrique am Dienstag veröffentlichte. Er analysierte, wie in einem zweisprachigen Land ein autoritäres Regime durch Ausgrenzung einer Sprache die Sprachlosigkeit als Herrschaftsmittel einsetzt, und kam zum Schluss, erst ein Regimewechsel werde die Krise beenden.
Solche Majestätsbeleidigung bleibt nicht ohne Folgen. Am Mittwochabend wollte Patrice Nganang wieder abreisen – mit einem Flug von Kenya Airways aus Douala nach Harare in Simbabwe, wo seine Familie lebt. Er checkte ein. In Harare kam er nicht an. Die Familie fragte die Fluglinie. Die Fluglinie sagte, er sei nie an Bord gegangen; manche Kameruner behaupten, er sei von der Polizei in Douala von Bord geholt worden.
Nganang sei festgenommen und verschleppt worden, berichten nun seine Freunde und machen auf den sozialen Netzwerken mobil. Es ist nicht das erste Mal, dass Nganang sich mit Biya anlegt. Geboren 1970 in Kameruns Hauptstadt Yaoundé, gehörte Nganang um 1990 zum engsten Kreis der Studentenaktivisten, aus denen die damalige demokratische Opposition hervorging, die Biyas autoritäres System herausforderte – letztlich erfolglos.
Viele der damaligen Aktivisten landeten im Gefängnis oder im Exil. Nganang ging 1994 als Student nach Deutschland. Seit 2000 lebt er in den USA, zuletzt als Literaturdozent in New York. Zeitlebens beschäftigt sich Nganang mit der Frage, wie man gegenüber skrupellosen Machthabern seine Würde behält. Sein berühmtester Roman „Temps de chien „(Hundezeiten), geschrieben aus der Perspektive eines halbverrückten, philosophierenden Straßenhundes in einem Slum von Yaoundé, beschreibt, wie erst die Angst die Menschen in Bann hält, dann die Erschießung eines Kindes doch noch zur Revolte führt. Es sei die Angst, die die Kameruner vereint halte, analysierte Nganang in einem Interview.
Nun fürchten Nganangs Freunde um sein Leben: In Kamerun verschwinden unliebsame Regimegegner zuweilen auf immer. „In dieser Zeit des fin de règne“, warnt ein Exilschriftsteller, „ist die Staatsmacht sehr nervös.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“