Schriften zu Zeitschriften: Zum Golde drängende Fotos
"Fotogeschichte" analysiert die Symbiose von Geld und Fotografie, "Mittelweg 36" seziert die Agentur "Magnum".
"Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles": Die Zeitschrift Fotogeschichte widmet ihr erstes Heft in neuer, ebenso frischer wie eleganter Gestaltung dem schönen Schein und dem schnöden Sein in der Fotografie, also der klassischen Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Kommerz. Das ist nicht ohne Selbstironie, weil ja auch ein Zeitschriften-Relaunch keineswegs nur aus ästhetischen Gründen erfolgt, sondern damit handfeste ökonomische Interessen einhergehen.
Doch das Resultat überzeugt in diesem Falle; Anmutung und avancierte Analyse gehen Hand in Hand. Am Anfang steht nunmehr das tatsächliche Foto. Geldscheine, die den Besitzer wechseln, Münzen, die als Glücksbringer in den Brunnen geworfen werden: Bilder vom Alltag des Geldes in Asien präsentiert der Schweizer Fotograf Daniel Schwartz. Matthias Bruhn liefert einen Abriss über die Geschichte der Bildagenturen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. In einer fein konturierten Momentaufnahme der Fünzigerjahre analysiert Tom Holert zwischen Marilyn Monroe und deren Fotografen Cecil Beaton, Pin-Up- und Werbefotos den damaligen Siegeszug der Glamourfotografie: In dieser visuell inszenierten, meist weiblichen Körperlichkeit verbanden sich stets ästhetische, sexuelle und finanzielle Aspekte. Immer schon hat die Kapitalismuskritik auf den Warencharakter der Fotografie hingewiesen, mit mehr oder minder deutlichen kulturkritischen Untertönen. Bernd Stiegler geht der Begriffsgeschichte des klassischen Walter-Benjamin-Zitats zum Stichwort Fotografie nach. "Das Schöpferische am Photographieren ist dessen Überantwortung an die Mode", so der von seinem Freund Bertolt Brecht inspirierte Benjamin 1931. Darin "entlarvt sich die Haltung einer Photographie, die jede Konservenbüchse ins All montieren, aber nicht einen der menschlichen Zusammenhänge fassen kann, in denen sie auftritt."
Anton Holzer, Herausgeber von Fotogeschichte, erzählt zusammen mit Matthias Christen im aktuellen Heft von Mittelweg 36 die Geschichte der legendären Fotoagentur Magnum, die in diesem Jahr ihren 60. Geburtstag feierte. Exemplarisch kann man hier die Symbiose von Fotojournalismus, Kunst und Kommerz studieren. Mit der Gründung der ersten Illustrierten Life 1936 durch den amerikanischen Verleger Henry Luce war ein neuer Markt für ganze Fotoreportagen entstanden: Auflagenstarke Zeitschriften mit mächtigen "picture editors" planten visuelle Inszenierungen. Auf der anderen Seite gab es nunmehr eine weltweit agierende Fotoagentur um deren Gründer Robert Capa, Henri Cartier Bresson und David Seymour, die hohe Honorare aushandeln konnte und ihren Mythos als Club der weltbesten Pressefotografen pflegte. Der Krieg war der Vater ihres Ruhms: Erstmals im Spanischen Bürgerkrieg und dann im Zweiten Weltkrieg hatten Fotoreporter unter hohem Risiko Bilder aus dem blutigen Getümmel geliefert. Die Strategie von Magnum war in den vergangenen Jahrzehnten trotz des elitären Anspruchs kommerziell sehr flexibel: Auf den Niedergang der Illustrierten wegen des aufkommenden Fernsehens in den Fünfzigerjahren reagierten die Reporter mit Werbefotografie. Bald setzte man auf Bildbände (legendär Robert Franks "The Americans" von 1959) und global konzipierte Ausstellungsprojekte.
Es gehört zu den Ironien dieser wechselvollen Bildgeschichte, dass heute das geschäftliche Heil der Agentur nicht nur im eigenen Bildarchiv und multimedialen Internet-Bildgeschichten liegt, sondern vor allem im Kunstmarkt, auf dem Pressefotografien enorme Wertsteigerungen erleben. Die ursprünglichen Grenzen von Kunst und Journalismus lösen sich auf: So kann das Unternehmen Magnum auch künftig zum Golde drängen.
Fotogeschichte, Heft 105, 2007: "Glänzende Geschäfte. Fotografie und Geld", 20 Euro, Mittelweg 36, Heft 5/2007 (Oktober/November) 9,50 Euro
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