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Schriften zu ZeitschriftenMit schönen Frauen schöne Dinge tun

■ Filmkritik im Spiegelstadium – eine Herrenrunde feiert „100 Jahre Kino“

Bestimmt gab es Feuerzangenbowle, als sich eine mehr oder weniger illustre Herrengruppe zusammenfand, ein Spiegel-Special zum 100. Geburtstag des Kinos zu erstellen. Die Kinoredakteurin, die als einziges Mitglied des Spiegel-Feuilletons in den 90ern angelangt scheint, ist vorsichtshalber gar nicht erst mit von der Partie. „Feiern“ und „beschwören“ wolle man, raunt das Editorial, andererseits aber, Focus-Leser aufgemerkt!, sei das Spiegel-Special eine „Delikatesse“, die „Alternative zum Fast-food-Journalismus“ (der „Sammel-Schuber in den Versionen Karton, Plastik, Leder kommt bestimmt“). Ein Balanceakt im Infotainment-Ballett: nicht zu schlau sein, aber auch nicht zu hochglanzpoliert, Service bieten, aber auch den „eigenen Akzent“ setzen; lieber einen schlechten Artikel von einem großen Namen, als einen grandiosen Artikel von einem Scheißnamen... Anmutungen, die man neuerdings auch in diesem Hause immer wieder gerne hört, oft kopiert und nie erreicht.

Der Effekt: Auf der Klaviatur von Althen bis Willemsen (die schwarzen Tasten hier Nicholson Baker, John Updike, Jerome Charyn, Quentin Tarrantino – in Nachdrucken aus dem New Yorker oder Rowohlt-Bändchen) präsentiert man eine Art geläuterte Sinnlichkeit; man nähert sich dem Kino, wie man sich „einer schönen Frau“ nähert.

Das Kino als Frau – ein alter Topos –, als Hure, die sich den Zeitläuften an den Hals wirft, als Medusa, die verführt und erschreckt (mehrmals im Heft schlagen die Autoren aufgeregt mit den Flügeln, wenn es um Sharon Stones „Beaver Shot“ geht), als Femme fatale, deren Geheimnis nicht auf die Spur zu kommen ist; als bergender, dunkler Mutterbauch, der erbaut, erleuchtet und lehrend nährt; als olle Frau, die man mitschleppen muß, obwohl sie längst von blutjungen interaktiven Video-Novizinnen in den Schatten gestellt wurde („Das Kino hat also mal wieder keine Zukunft. Gehen wir trotzdem hin. Es mag unvollkommen sein, aber der Mensch ist es auch.“). Unter den Zelluloidstreifen auf dem Titelbild schaut einem ein aseptisch gemaltes Porträt von Rita Hayworth entgegen, die „Soldaten und Matrosen ins Delirium getrieben“ hatte und zur Strafe schließlich im Alzheimer-Elend endete. Jean-Luc Godard ist durchaus vertreten, aber natürlich nicht als der Regisseur von „Weekend“ oder „Hélas pour moi“, sondern als der Mann, der die Frauen liebte: „Wer genau hinsieht und die Nacktszenen aufmerksam analysiert, weiß genau, welchen Typ von Busen Godard geradezu besessen verehrt.“ Huch, wie interessant. Lüsternheit, die sich jugendlich forsch vorwagt, fällt sich allerdings immer gleich selbst in den Arm. Willemsen, der zunächst noch von „asyntaktischen Geständnissen und großen Seufzerfiguren“ gewußt haben will, sieht plötzlich, daß ehrliche Nacktheit eigentlich nur bei Pasolinis ungeschminkten Arbeitern, Bauern, Straßenjungen und deren „Hautunreinheiten, Pickeln, Narben“ zu haben war, oder in dem Moment, wenn David Lynch seiner ehemaligen Geliebten, der Lancôme-Ikone Isabella Rosselini, die Demontage zumutet, entstellt in einem mit Wundmalen übersäten und von Hängebrüsten beschwerten Körper einhergehen zu müssen. Das kommerzielle Kino macht nämlich, denken Sie nur, seine Geschäfte mit einer nicht befreiten Sexualität. (Sie erinnern sich: das ist die ohne Pickel, mit den jungen, geölten Körpern, und hurra und igitt. Statt den Charme ältlicher Herren zu erkennen.)

Moritz von Uslar, wie viele der Autoren Schreiber bei der Süddeutschen, hat im Selbstversuch ausprobiert, zu tun, was Belmondo, Brando und Travolta taten, „sich die Scheiße aus dem Gesicht zu kratzen und sie zurückzuwerfen in die Richtung, aus der sie gekommen war“. Die Freundin aber: „Du bist nicht cool.“ Klar, daß Karaseks Text über Brando „Die vergeudete Kraft“ heißen und in seiner offenbar autobiographisch gehaltenen Meditation über die „Reifeprüfung“ von „kleinen Typen wie Dustin Hoffman“ die Rede sein mußte, die auch so schöne Frauen bekommen können wie die mit den roten Locken, die sich auf ihrem „richtigen Frauenbusen“ schlängelten, obwohl sie doch erst sechzehn war.

Wenn man das so durchblättert, sieht, daß bei der Feuerzangenbowle nicht ein einziger Dokfilm, kein Film von einem Neger oder einer Frau oder sonst einem Schattengewächsler den Hautgout traf (dafür aber Veit Harlans „Opfergang“), gewinnt Lacans Spiegelstadium, Herzstück aller feministischen Filmtheorie, wieder Glanz und Glorie. „Spiegelstadium“, das ist der Moment, wo His Majesty the Baby sich potenzmäßig so erheblich gegen sein Spiegelbild/das Leinwandimage abfallen fühlt. Abgang mit asyntaktischem Schlußseufzer. Mariam Niroumand

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