Schreiben eines Ministers: Polizisten sollen sich ans Gesetz halten

Anfang Januar verprügelten Polizisten Teilnehmer der Jalloh-Gedenkdemo. Nun hat der Innenminister von Sachsen-Anhalt ihnen einen bemerkenswerten Brief geschrieben.

Tod unter mysteriösen Umständen: Ein Brandexperte stellt Jallohs Tod in der Polizeizelle nach. Bild: ap

BERLIN taz | Es ist ein besonderer Brief, den Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) da an alle 6.800 PolizistInnen des Landes Sachsen-Anhalt geschrieben hat. Denn in dem Schreiben ermahnt der Minister seine Bediensteten, das auch sie sich an das deutsche Recht halten müssen.

Hintergrund des Schreibens ist ein Demo-Vorfall vom 7. Januar in Dessau. Dort war die Polizei bei einer Demonstration zum Gedenken an den 2005 in Polizeigewahrsam ums Leben gekommenen Sierra Leoner Oury Jalloh widerrechtlich gegen Demonstrationsteilnehmer vorgegangen - weil in der Demo die von der Meinungsfreiheit gedeckte Parole "Oury Jalloh, das war Mord" verbreitet worden war.

Der Anmelder der Demonstration, Mouctar Bah, war dabei von Polizisten krankenhausreif geprügelt worden. Auch andere Unterstützer der Initiative Oury Jalloh wurden von Polizisten attackiert – offenbar weil die Polizeiführung zuvor beschlossen hatte, repressiv gegen die Parole vorzugehen.

"Objektiv von der Meinungsfreiheit gedeckt"

Seitdem wird in der Stadt Dessau, in Migrationsverbänden, in linken Kreisen und unter Polizisten wild über den Vorfall auf der Demonstration diskutiert – denn in den letzten Jahren, so schildert es die Dessauer Staatsanwaltschaft, war auf Demonstrationen nicht rechtlich gegen den Slogan vorgegangen worden, „weil er objektiv vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist.“

Auch Innenminister Holger Stahlknecht wusste das – und ließ kurz nach der Demo den zuständigen Rechtsdezernenten der Polizei in Dessau versetzen, weil der eine falsche juristische Beratung gegeben haben soll. Doch unter Sachsen-Anhalts Polizisten sorgte die Kritik ihres Ministers an dem Einsatz für nachhaltige Verwirrung, wie Polizisten sagen.

Nun schreibt Stahlknecht ihnen explizit: Zwar verstehe er die emotionale Lage der Beamten, doch "in Deutschland wird - aus guten Gründen - das Recht der Meinungsfreiheit sehr hoch bewertet." Wenn Aussagen von diesem Recht gedeckt seien, "dann ist dies rechtlich bindend." Es sei, so schreibt er weiter, "Aufgabe der Polizei, auf solchen Veranstaltungen Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten und sicherzustellen und gleichzeitig deeskalierend zu wirken."

Deutliche Worte, die sich etwa so übersetzen lassen: „Liebe Untergebene bei der Polizei – auch für Euch gilt das Gesetz.“

Provokateure aus den Reihen der Polizei

Doch das Innenministerium will den Brief anders verstanden wissen: Damit stelle sich der "Innenminister schützend vor seine Beamte, er bekundet damit sein Verständnis für ihre häufig gefährlichen Einsätze, bei denen sie Beleidigungen und Angriffe fürchten und abwehren müssen", heißt es aus dem Ministerium. Tatsächlich enthält der Brief auch viele Passagen, in denen Stahlknecht Verständnis ausdrückt: "Aber wir sind verpflichtet, diese freie Meinungsäußerung zuzulassen und hin zu nehmen und uns nicht provozieren zu lassen, auch wenn das bisweilen nicht leicht fällt."

Das wiederum sorgt bei Dirk Vogelskamp vom Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln auf Ablehnung. Vogelskamp sagte der taz: "Herr Stahlknecht hätte klipp und klar sagen müssen, dass die Polizei an diesem Tag die Grundrechte der Demonstrationsteilnehmer verletzt hat. Er hätte klipp und klar sagen müssen: 'Sie haben einen falschen Befehl erhalten.' Stattdessen macht der die Opfer zu Tätern, weil ihr Slogan provokant sei. Doch die Provokateure stammen bei diesem Vorfall klar aus Reihen der Polizei."

Das scheint auch der Dessauer Staatsanwaltschaft klar zu sein, die nun gegen die Polizei ermittelt. Fraglich ist daher, weshalb Stahlknecht gleich seinen gesamten Polizeiapparat adressiert. Ginge es nach ihm, so ist der Schuldige schon gefunden und versetzt. Nun will die Landesregierung in Sachsen-Anhalt zunächst das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen abwarten – ehe weitere Konsequenzen gezogen werden.

Politiker wie die aus Dessau stammende Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, fordern allerdings, auch die Rolle des zuständigen Polizeipräsidenten zu hinterfragen. Der versetzte Rechtsdezernent sei nur ein "Bauernopfer", sagte Lemke der taz. Die Linksfraktion in Sachsen-Anhalt plant unterdessen eine öffentliche Anhörung zu den Vorfällen in Dessau durchzuführen. Nachdem der Innenausschuss des Landtags sich nur nicht-öffentlich mit dem Vorfall verfasst habe, solle so eine transparente Auseinandersetzung möglich werden, heißt es aus der Fraktion.

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