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■ Die Regierung von Bangladesch sucht die bedrohte Schriftstellerin Taslima Nasrin bei den Botschaften und ermahnt ausländische Korrespondenten
Neu-Delhi (taz) – Die Regierung von Bangladesch soll die ausländischen Diplomaten in Dhaka um Hilfe bei der Suche nach der feministischen Autorin Taslima Nasrin gebeten haben. Die Schriftstellerin ist untergetaucht, weil sie wegen ihrer kritischen Äußerungen über den Koran von muslimischen Fundamentalisten mit dem Tode bedroht wird.
Die Regierung von Bangladesch soll dem Doyen – Dienstältesten – des diplomatischen Corps in der Hauptstadt Dhaka mitgeteilt haben, jede Botschaft, die die auf der Flucht befindliche Autorin aufnehme, sei nach der Wiener Konvention verpflichtet, die Behörden über ihren Aufenthaltsort zu informieren. Sollte bekannt werden, daß ein Diplomat Nasrin beherberge, werde er sofort zur persona non grata erklärt. Inoffiziell äußern Regierungsmitglieder die Vermutung, daß Taslima Nasrin im Haus eines westeuropäischen Diplomaten Zuflucht gefunden hat. Dabei verdächtigen sie insbesondere Norwegen, Frankreich und die Niederlande.
Diplomatische Kreise in Dhaka haben die Regierung ihrerseits gedrängt, den fundamentalistischen Eifer gegen Talisma Nasrin einzudämmen: „Viele von uns haben die politische Führung gewarnt, daß die Verhaftung Nasrins oder Gewaltanwendung gegen sie mit großer Sicherheit die westliche Hilfe für Bangladesch beeinträchtigen würde“, so ein westeuropäischer Diplomat in Dhaka. Bangladesch ist von internationaler Hilfe abhängig, und die Regierung ist sehr besorgt über die Konsequenzen der negativen Berichterstattung in den internationalen Medien. Das Außenministerium forderte in einem Rundschreiben alle in Dhaka akkreditierten ausländischen Korrespondenten auf, sich nicht auf Taslima Nasrin, sondern auf sonstige Entwicklungen in Bangladesch zu konzentrieren. Die Regierung befindet sich in der Zwickmühle: auf der einen Seite die internationale Empörung über die Mordaufrufe gegen die Feministin, auf der anderen Seite die fundamentalistischen Leidenschaften im Land, die die Führung selbst entfacht hat. Die Politiker sehen sich starkem Druck ausgesetzt, die Autorin sofort zu verhaften.
Diese Woche gewann die Regierung eine kleine Atempause: Das Gericht, das gegen Nasrin Haftbefehl wegen der Anklage der Blasphemie erlassen hatte, gab den Behörden einen weiteren Monat Aufschub. Zwar haben zahlreiche Intellektuelle und die politische Opposition im Lande ihre Stimme gegen die Menschenjagd erhoben und sogar Demonstrationen abgehalten. Doch die fundamentalistischen Gruppen sind weitaus besser organisiert und erheblich militanter. Ajoy Bose
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