■ NOCH 3364 TAGE BIS ZUM JAHRE BIS ZUM JAHR 2000: Schreib mal wieder!
Ach, wer kennt ihn nicht — den Ärger mit der Post. Ein Päckchen, das ein Freund mir zum Geburtstag schickte und das ein teures Buch enthielt, kam nie an. Statt dessen bekam ich als Geschenk einen Anruf von einem strammen Beamten: „Herr Wegmann, wir haben hier einen leeren Umschlag für sie“, kleine Pause und dann empört: „Ohne Absender!“ Ich erklärte ihm, daß ich ein Geschenk erwarten würde, und daß da wohl einer seiner Untergebenen lange Finger gemacht hätte. Der Oberporstler verbat sich lautstark die Unterstellung und stellte mir eine freche Suggestivfrage: „Können sie das beweisen?“ Konnte ich natürlich nicht. Ich gab ihm die Anschrift des Absenders und er versprach, „der Sache nachzugehen“ und sich zu melden. Drei Wochen später rief ich an und bekam zu hören, daß man leider nichts über den Verbleib des Inhalts herausgefunden hätte. Pech gehabt. Haftbar zu machen ist die Post selbstverständlich nicht.
Ab und zu bekomme ich auch Anrufe von Bekannten, die besorgt anfragen, ob man mich aus meiner Wohnung geworfen hätte. In dem Fall sind Urlaubskarten oder andere Briefsendungen mit dem Vermerk „Unbekannt verzogen“ zurück geschickt worden. Inzwischen ist der Verdacht, daß der Briefträger nicht immer Lust hat die vier Treppen zu meiner Wohnung hochzusteigen, längst zur Gewißheit geworden. Anrufe bei der Beschwerdestelle der Post werden mit dem Hinweis, daß an dem Tag bestimmt eine Aushilfe unterwegs war („Sie kennen das ja, nichts als Ärger mit diesen Studenten“) abgewimmelt.
Aber das alles ist noch harmlos im Vergleich zu dem was die US-Post sich leistet: Mitte Juli wurde in Florida eine Urne mit der Asche des 94 Jahre alten Earl Miller aufgegeben. Die Asche des Verblichenen hat ihren Bestimmungsort Birdsboro in Pennsylvania nie erreicht. Wie Adelaide Findley, eine Nichte Millers berichtet, wartet sie seit dem 16. Juli vergeblich auf das von einem Bestattungsunternehmer per Einschreiben eingelieferte Paket. Inzwischen hat sie die Hoffnung fast aufgegeben, daß die Urne doch noch auf dem kleinen Friedhof von Birdsboro beigesetzt werden kann. Die ganze Angelegenheit sei ihr so an die Nieren gegangen, daß sie darauf verzichte, die Post zu verklagen. Den Streß eines Verfahrens könne sie einfach nicht durchstehen, sagt die Frau. Einen geringen Trost hat sie allerdings: Miller war ein echter Herumtreiber und sein Leben sehr bewegt, ein bißchen Hektik noch im Tod wird ihm wohl nicht schaden. Karl Wegmann
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