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"Schraubstock der Verschuldung lösen"Bundestag zieht Schuldenbremse an

Das Grundgesetz soll Kredite künftig eng begrenzen. Die Gegner des Gesetzes hoffen nun auf den Bundesrat, der im Juni der Verfassungsänderung zustimmen muss.

Heftiger Kritik von Linken und DGB ausgesetzt: Wirtschaftsminister zu Guttenberg (CSU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Bild: dpa

BERLIN taz | Die große Koalition hat am Freitag die Schuldenbremse beschlossen. 418 SPD- und Unionsabgeordnete stimmten dafür - die für die Grundgesetzänderung nötige Zweidrittel-Mehrheit liegt bei 408 Stimmen. Die FDP enthielt sich, Linkspartei und Bündnisgrüne votierten mit Nein. Von den SPD-Linken, die die Schuldenbremse kritisch sehen, lehnten nur einzelne Abgeordnete die Verfassungsänderung ab. Fraktionschef Peter Struck hatte für den Fall, dass die SPD-Linke sich sperrt, mit Rücktritt gedroht.

Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Länder ab 2020 keine Kredite mehr aufnehmen dürfen. Dafür sollen die besonders hochverschuldeten Länder Bremen, Saarland, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein bis 2019 jährlich insgesamt 800 Millionen Euro erhalten. Der Bund soll sich ab 2016 bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) verschulden dürfen. Das wären derzeit neun Milliarden Euro.

In der Bundestagsdebatte sagte Finanzminister Peer Steinbrück, man wolle sich so aus dem "Schraubstock der Verschuldung" lösen. 15 Prozent des Bundesetats gingen in den Schuldendienst. Dem Argument, der Staat knebele sich mit der Schuldenbremse, widersprach der SPD-Politiker. In Krisen könne der Staat weiter "antizyklisch tun, was notwendig ist". In wirtschaftlich schlechten Zeiten seien Schulden gemacht worden, die in guten Zeiten nie zurückgezahlt wurden. Unternehmerverbände unterstützen die Reform.

Linke-Fraktionsvize Bodo Ramelow bezeichnete die Reform hingegen als "Katastrophe". Die Schuldenbremse werde zur Pleite einiger Bundesländer führen. Für Bremen, das Saarland und Schleswig-Holstein sei das eine "aktive Sterbehilfe".

Scharf kritisierte auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Grundgesetzgesetzänderung. Vorstandsmitglied Claus Matecki meinte, dass die die Schuldenbremse "ein gewaltiger Hemmschuh für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen ist". Außerdem gebe es mit diesem Instrument keine praktische Erfahrungen. "Schon deshalb ist eine Grundgesetzänderung fatal. Eine Schuldenbremse mit Verfassungsrang wäre kaum noch rückholbar".

Die Gegner der Schuldenbremse hoffen nun auf den Bundesrat, der im Juni der Verfassungsänderung ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit zustimmen muss. Klar ist, dass das rot-rot regierte Berlin gegen die Verfassungsänderung stimmen wird. Allerdings scheint Berlin derzeit mit dieser Haltung unter den Ländern allein zu bleiben.

Die SPD will, dass den Ländern zumindest erlaubt wird, Schulden in Höhe von 0,15 Prozent des BIP aufzunehmen. Auch dafür stehen die Chancen nicht gut. Die konservativ regierten Bayern und Baden-Württemberg hatten in den Verhandlungen im Februar ihre Beteiligung an dem jährlichen 800 Millionen Euro Zuschuss bis 2019 für die armen Länder an die Nullschuldenregel gekoppelt.

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