Schrankwandästhetik

■ „Heino + Hannelore“, Di., Sat.1

Froh zu sein, bedarf es wenig. Den finalen Ausbund an teutonischer Stimmung verdanken wir dem Auftritt der echten Pigmentstörung Heino und seiner Ehefrau Hannelore vergangenen Dienstag abend um 20.15Uhr in Sat.1.

Sie luden zu einer dissonanten Weltreise durch Landschaften und Länder ein, dennoch krachten die Lederhosen, und die Dirndl blühten in deutscher Gemütlichkeit. Ein Leckerbissen für den kulturbeflissenen Heimatsüchtigen.

Das musikalische Gruselkabinett reichte vom betont kosmopolitischen Tony Marshall mit seiner Liebeserklärung an Jamaika, akzentuiert von wenig bekleideten schwarzen Frauen, die zusammen mit einem Affen und einem Tiger tanzten — es lebe der afrikanisch-indische Busch — über die Black Bird Dancers aus Österreich bis zu den Zillertaler (dem Aussehen nach mehr Neandertaler) Schürzenjägern, die stolz dem senilen Publikum einen Jodelautomaten aus Japan präsentierten. Wiens First Lady Dagmar Koller benölte leise ihr südamerikanisches Vorbild Weine nicht um mich Argentinien.

Dieser Hauch der großen weiten Welt reichte kaum zum Atmen. Heinos Lieder gaben dem speicheltriefenden Publikum jedoch die rechte Knusperhäuschenidylle rasch zurück.

Gattin Hannelore, die zuviel Haarspray benutzt (sie besitzt wahrscheinlich ihr eigenes Loch in der Ozonschicht), unterstützte ihren Mann mit peinlich koketter Hysterie und vorstädtischem Humor. Die weiteren Gäste Karel Gott, Rene Kollo, Margot Werner und Alfred Biolek, der wieder nicht im Dirndl erschien, vermochten den Kohl nur noch fetter zu machen. Frau Werner beeindruckte mit einem Abendkleid, das — aus welchem tiefen Grund auch immer — eine Ritterrüstung andeutete. Alle wurden von Kindergärtnerin Hannelore behandelt, betuttelt und begrabbelt wie Säuglinge, während Heino den verzweifelten Versuch unternahm, ernsthafte, ja fast journalistische Fragen zu stellen. Völlig unvermittelt stellte er dem dahindämmernden Publikum zwei Heimwerker vor, die mit Propeller auf dem Rücken ins Studio rauschten und so schnell wieder verschwunden waren, daß nur ihre roten Overalls in Erinnerung blieben.

Sogar der eigens von Bio für Heino kreierte Cocktail Hallo Heino wäre ohne Hannelores strenge Aufsicht voll danebengegangen. Hannelore wünschte dem Talkmaster — wohl auf dessen Lebensweise anspielend — ein sehr, sehr gesundes neues Jahr. Herr Kollo, im überreifen Alter doch noch zum Familienvater mutiert, erhielt ein goldgerahmtes Riesenposter, das ihn einträchtig mit Frau und dem Stall voll Kindern zeigte. Der passende Orden für diesen Heldentenor der Reproduktionsarbeit. Es war eine Horrorshow der Schrankwandästhetik, und wie bei jeder Horrorshow folgt die Fortsetzung.

Vielleicht wäre alles erträglicher geworden, wenn man so blau wie der Enzian gewesen wäre. Spence