berliner szenen: Schräger fliegen die hier
Ich hab’s schon wieder geschafft: mich hoffnungslos verfahren mit dem Rad. Dabei wollt ich nur kurz raus in die Sonne, aber die scheint so verführerisch, dass ich ihr ewig lang hinterherfahre. Schön, denk ich, und das ist es auch wirklich.
Nur: Wie komm ich zurück? Kein Stadtplan, kein Smartphone, nichts hab ich bei, was mir da den Weg weisen könnte.
Aber ich schaff das auch so: Ich muss jetzt einfach nur in die andere Richtung, nicht mehr der Sonne nach, sondern nach Norden.
So weit, so gut; ich radle und radle, aber noch immer weiß ich nicht, wo ich nun bin. Die Straßennamen sagen mir nichts, die Busnummern auch nicht, und ich glaube, ich sollte jetzt doch mal anhalten, nach dem Weg fragen, auch wenn ich das hasse.
Ich bremse also, schaue mich nach jemand zum Fragen um, als ich die Rettung vorm Fragen seh; oben am Himmel, wie sich’s gehört: ein Flugzeug! Und dann noch eins und noch eins; im Minutentakt röhrt’s da von rechts nach links, genauso wie bei mir zu Hause. Nur etwas schräger als bei mir zu Hause fliegen die hier, so vom Winkel her, und auch nicht ganz so tief.
Ich muss also näher ran, muss weiter nach links, dann stimmen Winkel und Höhe wieder, und wenn das dann stimmt – Flugzeug so nah, dass die Fensterscheiben schon fast davon zittern –, bin ich dann da.
Auf einmal mag ich dröhnende Flieger und wünsch mir’nen noch dichteren Takt, damit ich unentwegt schauen kann beim Radeln, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin.
Viel besser als fragen ist das, als Stadtplan sowieso: kein Anhalten, um auf den Plan runterzustarren, und außerdem vergess ich den ja immer zu Hause.
Dröhnen am Himmel ist super, denk ich – bis ich mir angewöhnt hab, meinen Plan doch einzustecken, fragen nicht mehr hasse oder alternativ alle Busnummern und Straßennamen der Stadt auswendig kann. Joey Juschka
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