■ Schöner leben: Bali paradox
Wenden wir uns heute einem Produkt des entwickelten Spätkapitalismus zu, wie es paradoxer und vehementer zugleich niemals in der Nachkriegsgeschichte in den öffentlichen Raum und auf die privaten Grünflächen drang. Wie das kleinste gemeinsame Vielfache aus Nomadenzelt und Baldachin kommt es auf langen Stelzen über uns, immer weiß, immer mit einer bis zu den Füßchen herabgezogenen Eckbespannung und im Sonderangebot unter hundert Mark zu haben. Überaus geschickte Vermarktungsstrategen haben ihr Produkt über Namen wie „Pavillon Bali“ oder gar „Pavillon Palma“ auf immer den Hoffnungen und Träumen der Massen angelagert. Und so stehen diese Pavillone, die irritierte Lufthansapiloten als Ergebnis eines Würfelzuckerabwurfs über Deutschland interpretierten, in Gärten, Biergärten, auf Messen, Ausstellungen und am Straßenrand, wo Erdbeeren verkauft werden.
Schön findet den Pavillon „Bali“ niemand, da herrscht Einvernehmen, wie jeder in seinem Bekanntenkreis leicht verifizieren kann. Ästhetisch orientierte Menschen und Feuilletonisten darf man erst gar nicht darauf ansprechen. Aber „Bali“ ist evident. Der Pavillon leuchtet ein wie Maggie oder der Reißverschluß. In unserem Regenland schützt er vor Nässe und transzendiert den Landregen zum (Bali!) tropischen. Er erlaubt es, sitzen zu bleiben, was immer passiert, und gleichzeitig nomadenhaft weiterzuziehen (was nie passiert). Der Zeltcharakter ermöglicht es, Bali abzubauen – doch da ist unser Volkscharakter vor. Aus diesem Grund wird man bald fürs Errichten von „Bali“ eine Baugenehmigung brauchen, und das wiederum ist zu begrüßen. Burkhard Straßmann
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