Schöner Müll Stellt maneine Grünlilie auf eine alte Teppichhülse, wird darausein Südsee-Arrangement: Eine Palme aus Karton
Von Waltraud Schwab
Manchmal liegen Dinge auf der Straße. Diese runde Hülse aus beinhartem Karton etwa fand ich vor 30 Jahren auf einem Platz in Berlin. Was genau es war? Was genau ich damit wollte? Ich weiß es nicht mehr. Einem spontanen Impuls folgend nahm ich sie mit.
„Was willst du denn damit?“, fragte mich meine Mitbewohnerin. Ja was? Ich habe die Rolle dann angestrichen, weiß, das war die Farbe jener Zeit – alles auslöschen, neu anfangen – und habe eine Blume oben reingesteckt. Das lag nahe, war aber nicht praktisch, denn der Blumentopf hatte ein Loch und zuverlässige Pflanzenpflege war damals nicht eingeplant. Die Pflanze trocknete aus. Wurde sie dann gegossen, tropfte das Wasser in der trockenen Erde sofort durchs Loch auf den Boden. Außerdem: Das Ding war instabil – wer die Säule touchierte, riskierte, dass sie umfiel. Unten eine Blechbüchse reinstellen, damit das Wasser reinlaufen kann, löste die Sache mit der Statik nicht.
Nun sind große Probleme da, um gelöst zu werden. Und sie wurden gelöst: mit einem Topf ohne Loch. Zudem haben ich einen Stein unten in das Rohr hineingeschlagen, damit ein Gegengewicht entsteht zum Topf, der oben drauf steht. Und ich habe eine Pflanze reingesteckt, die an Robustheit unübertroffen, dazu schön und nützlich ist: eine Grünlilie. Es ist eine Pflanze, die sich mitteilt, die sagt, wie es ihr geht. Ist sie zu trocken, wird das Grün ihrer Blätter gräulich und stumpf. Ist sie zu nass, lässt sie die lanzettartigen Blätter hängen. Und ist sie unansehnlich geworden, weil ihre Lebensbedingungen doch sehr karg sind unter den gegebenen Umständen, nimmt man die Ableger, die sie in Büscheln nach und nach ansetzt und die kaskadenartig von ihr herabhängen, so man sie herabhängen lässt, stellt diese in Wasser, lässt sie Wurzeln ziehen, wirft die alte Grünlilie weg, setzt die junge mit frischer Erde in den Topf ohne Loch und erneuert so hin und wieder die Pracht.
Das Besondere aber: Eine Grünlilie in so ein Rohr gesteckt, ist eine Palme.
Ich möchte nun nicht aufschneiden, aber die Palme auf dem Foto ist mein selbst designetes Möbelstück, das ich am längsten mit mir herumtrage. Ich nenne es Palme, und meine LebensgefährtInnen, die sich mit diesem Schmuckstück arrangieren mussten, nennen es „Grünständer“. Das ist kein nobles Wort und wer sexualisiert denken will, wird damit auch bedient. „Grünphallus“ wäre eleganter. Aber da meine Palme nicht als elegant wahrgenommen wird, rutscht die Sprache halt ins Vulgäre. Meine LebensgefährtInnen verstehen nicht sofort, dass der Mehrwert, den dieses Blumenarrangement hat, das Palmenflair ist, das wir so begehren. Stünde die Grünlilie irgendwo oben auf einem Regal, wäre sie nur eine Topfpflanze.
Ursprünglich hatte ich zwei von diesen Palmen, eine habe ich dem Wohnfrieden geopfert. Wo, wann und mit wem, ich weiß es nicht mehr. Ist es wichtig?
Anleitung
1. Die größte Hürde: Sie brauchen eine Kartonhülse. Die gibt es in Teppichgeschäften. Und ich hatte keine Probleme, neulich eine zu bekommen. Ideal sind Hülsen mit einem dickeren Durchmesser. Die gibt es dort, wo Linoleum verkauft wird. Hülsen, auf die Teppichauslegware gerollt ist, sind dünner. Der Topf, den Sie hineinstellen können, kann entsprechend auch nur schmaler sein, was die Lebensbedingungen der Grünlilie nicht einfacher macht.
2. Haben Sie eine Hülse ergattert, benötigen Sie weiter mindestens einen passenden Stein, zum Beispiel einen Backstein, einen oder mehrere Grünlilienableger und einen Rest Farbe – Wandfarbe und Acrylfarbe, mit der man Holz anstreichen kann.
3. Den Stein unten hineinschlagen, sodass er von der Hülse gehalten wird und nicht mehr herausrutscht.
4. Die Hülse anstreichen. Und zwar mehrmals. Zuletzt muss sie mindestens einen abwaschbaren Anstrich mit Acrylfarbe bekommen. Wer den Karton roh lassen will, sollte ihn zumindest mit einer transparenten Schicht Acryllack behandeln, damit die Hülse abwaschbar ist.
5. Die Blume in den Topf ohne Loch setzen und oben in die Hülse fügen. Fertig.
6. Darauf achten, dass Ihre LebensgefährtInnen wohlwollend mit Ihrer Palme umgehen und sie auch dann pfleglich behandeln, wenn Sie verreist sind.
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Die Essecke: Waltraud Schwab macht auf dieser Seite jeden Monat aus Müll schöne Dinge. Außerdem im Wechsel: Autoren der taz treffen sich mit Flüchtlingen, um mit ihnen zu kochen. Jörn Kabisch befragt Praktiker des Kochens und Philipp Maußhardt schreibt über das Essen in großen Runden.
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