■ Schöner Leben: Das 341417-Privileg
SCHÖNER LEBEN
Das 341417-Privileg
Ilse Wulf (Gebäudetrocknung, Geräteverleih) hat die 14486. Prüfinspektor Udo Schäfer meldet sich unter 628571. Frau Oberhäuser erreicht man unter 12355, während Brennzuschnitt-Herrmann Ihre Bestellungen unter 875535 entgegennimmt. Allen vieren ist gemein, daß sie wahrscheinlich keine Ahnung von ihrem Glück haben. Wie sollten sie auch?
Aber Frau H.; Frau H. ist neu in Bremen. Frau H. ist begeistert von Bremen. Keine Stadt in ihrem bisherigen wechselvollen Leben bot ihr, was Bremen bietet, ja Frau H. war regelrecht verblüfft, als sie das schmucklose Schreiben von der Telekom erhielt. Worin sie ihre neue Telefonnummer erfuhr: 341417! Voller Stolz zeigte sie die Nummer unter ihren Freunden herum. Dabei hatte sie das beglückende Gefühl unverdienter Privilegien. Natürlich fragte sich Frau H., wie sie zu dem Glück komme. Ein Postgeheimnis?
Sie kam dahinter, als sie eines Sonntagnachmittags wie von ungefähr im Telefonbuch blätterte. Sie stolperte über die Bäckerei Franz Rolf, sprang zu Dirk Rolappe, blieb bei Enno Roosenboom hängen und durchstöberte schließlich aufgeregt das ganze Buch. Tatsächlich, es war kein Zufall, es war Serie! Letzte Gewißheit gab es wenige Tage später; Frau H. hatte das Hauptpostamt aufgesucht und die Telefonbücher anderer Großstädte durchsucht. Und siehe da: Nummern wie 36417, 523673 oder 4195317 waren die Regel! Oder gar 751669! Wohingegen sich die Namen der entsprechenden Teilnehmer kaum oder nur geringfügig von Bremer Namen unterschieden. Wie schön für Bremen, wie trostlos für die anderen! Das ist typisch für uns und unsere Stadt: Das Gute an ihr sehen wir nicht; da muß erst jemand von außerhalb kommen. Burkhard Straßmann
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