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■ Schöner LebenSüße, sichere Rache

Was wäre die Welt ohne sie; was wären wir ohne unsere geheimen Sicherheitsbeauftragten? Ohne diese Sorte Mensch, die tagelang vor jeder Reise die Wohnung auf den Kopf stellt, an nicht-zu-vergessen-Listen bastelt, die H-Milch bunkert (falls man am Sonntag zurücckommt), eine Zeitschaltuhr für die Wohnungsbeleuchtung in Abwesenheit besorgt, und die sowieso an jedem Tag der Woche das Schweizer Taschenmesser mit sich führt, man weiß ja nie. Wir dagegen sind der spontane Teil der Menschheit, locker und im Notfall eben kreativ – oder gnädig: Im Zweifelsfall lassen wir uns gerne helfen, mit Pflaster, Geld und Wegbeschreibung, im Hotel, in der Bahn, egal auf welchem Kontinent.

Auf der anderen Seite unserer Normenklatur stehen sie, die geheimen Sicherheitsbeauftragten. Sie gelten als nervös, als ein wenig kleinkariert, penibel und unsicher – tief drinnen wenigstens. Sollte der erste Blick das nicht gleich bestätigen, spätestens der zweite liefert den Beweis. Derweil haben wir lebenslustigen, amüsierten DraufgängerInnen nämlich nach Erklärungen für ein derartiges Sicherheitsbedürfnis gefahndet. Und weil über andere leichter reden ist, als über sich selbst, ist uns das Innenleben der Sicherheitsspezies kein Tabu – im Gegenteil. Da wachsen Erklärungen in den Himmel, was war da gleich in der Kindheit...? Hemmungen sind uns fremd.

Die betroffenen Sicherheitler dagegen werden immer stiller und halten an sich; das handliche Nähetui mit dem unschlagbaren Garnsortiment verschwindet diskret hinter dem Paar Ersatznylonstrümpfen oder dem Knirps – und von der langen Liste an Besorgungen, die vor dem Urlaub noch erledigt werden sollte, dringt fortan kein Wort mehr an die höhnische Außenwelt. Deren Reaktion ist doch ohnehin bekannt – und so billig wie die vergessene Zahnpasta, die man sich schließlich ersatzweise überall kaufen könnte, bevor die Welt untergeht. Man kennt doch die Ratschläge von Lebenskünstlern.

Lebenskünstler – das ist das Stichwort, über dem man Hände zum Frieden reichen könnte: Jedem Tierchen sein Pläsierchen – und uns das schöne Attribut von der Lebenskunst. Doch zur Versöhnung kommt es nicht. Das ist unser Versehen, wir schlagen den falschen Feind. Und der schlägt gezielt zurück: Wenn die Fadenenden nur noch lose baumeln, die eben noch den Hosenknopf hielten; wenn vom Grund des Zuckertopfes aus nur Leere gähnt, dann fällt der letzte Würfel – Zucker. Dann ist das Stündlein der geheimen Sicherheitsbeauftragten gekommen. Die packen dann aus. Denn Rache ist süß. So nährt sich Feindschaft.

Eva Rhode

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