■ Schöner Leben: Rosen nackt & mint
Ein lauer Sommerabend in Bremens schönstem Biergarten direkt an der Weser (nein, nicht das Café Sand). Ein Zeitungsmann in mintfarbenem Overall (nein, kein taz-Handverkäufer). Das Blättchen ist gratis, dafür nicht allzu dick, eigentlich eher nur eine Seite, aber dickes Papier, viel Farbe a la Bild-Zeitung. P&S heißt die Postille, statt unabhängig und überparteilich gibt sie sich im Zeitungskopf übertrieben und unterschwellig.
Unerhörtes steht dort zu lesen. „Falsche Rosenverkäufer jetzt überall. Nie mehr frische Rosen?“Oder: „Dreht Bonn jetzt völlig durch? Bald neue IQ-Steuer“. Dazu das Neueste vom „Bundesliga-Irrtum“: „Bayern steigt ab“und die besten Tricks beim Flirten („Gepflegtes Äußeres ist wichtig, mal wieder zum Friseur“), exklusiv vorgetragen von Italiens Super-Casanova Ernesto R. (31). Anzeigen preisen neben Zigaretten einer ominösen Marke namens P&S (mintfarbene Packung) auch Vitaminkapseln gegen Damenbart (schon 17 Kapseln am Tag zeigen Wirkung).
Teil zwei der Inszenierung: Eine Frau mit mintfarbenem Wollkäppi bietet Rosen feil. Eigentlich sind es eher Rosenstengel, ohne Blüten. Und aus Plastik sind sie auch noch. Kosten dafür aber nur zehn Pfennig. Da nehm ich doch mal zwei.
Teil drei: Die Bewollmützte kehrt zurück nach ihrer Runde durch die Biertisch-Reihen. Sie öffnet ihre Tasche, zaubert zwei (mintfarbene) Rosenblüten hervor, spendiert obendrein für jede Blüte eine Packung Rauchwaren, wir ahnten es, die mintfarbenen.
Offenbar kam der Werbegag aber nur mittelprächtig an im Biergarten links der Weser. „Die Bremer sind so spießig“, raunzt die offenkundig auswärtige Promotion-Frau mit der Wollmütze. „Wir haben noch nirgendwo so wenige Rosen-Stengel verkauft“. „Aber ich habe doch gleich zwei genommen“, wende ich zaghaft ein. „Du mußt aus Hamburg sein“, folgert die Mütze glasklar. Na sowas.
Werbegeschenke eingesackt, nochmal über die skurrile Postille geschmunzelt und die erste Zigarettte, die mintfarbene, verschenkt. „Nette Werbung“, sagt die Raucherin, „aber die Kippen schmecken trotzdem nicht“. Joachim Fahrun
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