: Schöne neue Fernsehwelt
■ Kinder malen ihre Flimmerkistenerfahrungen für das ZDF Bremen
“Wir vom ZDF wollen wissen, wie Ihr uns seht“, so forderte das Bremer ZDF-Landesstudio Kinder im Alter zwischen neun und zwölf Jahren auf, ihre tägliche Fernseherfahrung aufzumalen. 21.000 potentielle Teilnehmer haben die Bremer Mainzelmännchen im Lande Bremen hochgerechnet. Bis gestern lagen 140 Arbeiten vor.
„Kindermund tut Wahrheit kund“, sagt ein altes Sprichwort, und weil das ZDF mit vielen Preisen lockte, kamen die eindrucksvollsten Fernseherfahrungen gleich klassenweise, allerdings mit Themen aus den Konkurrenzsendern. Allen voran die ARD Flipper-Night-Rider-Kombination „Bay-Watch“ und die „Schlümpfe“ von Tele 5.
Die meisten Bilder zeigen einzelne Szenen, die aus der Erinnerung nachgemalt worden sind. „Tod auf dem Surfbrett“ zeigt den Helden „Nachtreiter“ David Hasselhoff in Küstenschutz-Action, weitere Motive lieferten Bugs Bunny, mohrrübenvertilgend lässig am Baum oder martial hochexplosiv, aber auch kletternde Mainzelmännchen oder Tennis- und Fußballendspiele.
„Ich bin erstaunt, daß die Kinderbilder wenig von der Gewalt festhalten, die täglich über das Medium ausgestrahlt wird“, so schildert Studioleiter Wolfgang Breilmann seinen ersten Eindruck über die Einsendungen. Kaum Blut, keine liebevolle Vierteilung im Zeichentrick, nur vereinzelt der Wunsch etwa des elfjährigen Matthias, der endlich den „Weißen Hai“ sehen will, obwohl dort bekanntlich merkwürdiger Beinschwund bei einigen SchauspielerInnen herrscht.
Genau 95 Minuten guckt die ZDF-Zielgruppe pro Tag Fernsehen. „Erstaunlich ist auch, daß pädagogisch gut gemachte Sendungen kaum bei den Kindern hängen bleiben.“ Breilmann kann ein Lied aus eigener Erfahrung davon singen: Seine Tochter sieht am liebsten „Bat-Man“ auf Sat 1, vor allem, seit dort das „Bat- Girl“ neben dem Hilfssupermann Robby eingeführt worden ist.
Mit bemerkenswerter Authentizität haben viele Kinder Senderlogos nachgemalt, etwa von der RTL Werbetafel, von der Gottschalk-Sendung „Wetten, daß“ und vom „Tor des Monats“. Dazu gibt es hin und wieder erläuternde Kommentare aus Zuschauermund. „Geile Kograme“ hätte das Fernsehen, bescheinigt ein Elfjähriger dem ZDF, ein anderer macht sich einen bekannten Sendetitel zu eigen: „Wetten, daß ich lieber Gottschalk gucke, als Hausaufgaben zu machen?“
Viele Fersehmotive wurden von den Kindern mit dem heimischen Fernseher gerahmt. Der Sony oder der Philips, in der perspektivischen Darstellung bis zu den Ausmaßen einer Schrankwand vergrößert, sind bis auf Schriftzug und Fernbedienung originalgetreu nachgemalt. Selten einmal, daß ein Kind seine eigene Fernsehsituation aufgemalt hätte. Einzige Ausnahme: „Unsere Familie beim Fernsehen“. Dieses Kunstwerk mit dem Blick ins private Wohnzimmer zeigt eine siebenköpfige Familie, die um 13.00 Uhr bei Tele 5 zu Gast ist.
Warum die Fernsehwelt auf den Bildern der Kinder noch so schön ist, bedarf nach dem Wettbewerb einer weiteren Untersuchung. „Möglicherweise“, spekuliert Fernsehmann Breilmann, „sind die gewalttätigen Bilder nur weggedrückt und kommen anders als gemalt zum Vorschein.“ Markus Daschner
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