: Schocktherapien
DIW fordert Senat auf, nach Karlsruhe zu gehen. Klaus Wowereit will jedoch zuerst „Hausaufgaben“ machen
In diesen Tagen sind die Wortschöpfer besonders fantasievoll. Nachdem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) im Zusammenhang mit dem Berliner Schuldenberg bereits von „Rinderwahnsinn“ gesprochen hat, legte der Regierende nun nach. Berlin leide, so Klaus Wowereit, an einer „Überausstattung“. Diese abzubauen gehöre zu den „Hausaufgaben“ der Stadt.
Mit diesen Worten antwortete Wowereit indirekt auf den Finanzexperten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Dieter Vesper. Vesper hat im Tagesspiegel Wowereit aufgefordert, „spätestens in zwei Jahren“ den Gang vor das Bundesverwassungsgericht in Karlsruhe anzutreten. Berlin, so Vesper, befinde sich in einer „alarmierenden Haushaltsnotlage“, aus der es ohne Bundeshilfe nicht mehr entrinnen könne. Ein ähnlicher Richterspruch in Karlsruhe könnte den Bund zur Schuldenhilfe für Berlin verpflichten.
In seiner Antwort schloss auch Wowereit erstmals einen Gang nach Karlsruhe nicht aus. Er schränkte aber ein: „So weit sind wir noch nicht.“ Zunächst müsse man die Probleme selbst in den Griff bekommen. Vor der Forderung nach Finanzhilfen müsse Berlin nachweisen, dass es im Vergleich zu anderen Bundesländern keine Überausstattung gibt. „Wir sind in fast allen Themenbereichen besser ausgestattet als andere Länder“, betonte Wowereit, der das am vergangenen Dienstag bekannt gewordene Haushaltsdefizit von 6,3 Milliarden Euro einen „heilsamen Schock“ nannte.
Die von Wowereit und Sarrazin angekündigten Sparmaßnahmen für die einzelnen Senatsressorts haben auch am Wochenende skeptische Reaktionen ausgelöst. „Die großen Sparbrocken sind sind in meinem Ressort nicht zu holen“, sagte Justizsenatorin Karin Schubert. „Erst muss ich investieren, dann kann ich sparen“, erklärte die SPD- Politikerin und verwies auf die Notwendigkeit, die deutschlandweit längsten Verfahrensdauern zu verkürzen.
Zu den neuen Begriffsjonglierern gehört im übrigen auch Stardirigent Daniel Barenboim. Rückblickend auf die letzten zehn Jahre sagte Barenboim. „Berlin war wie besoffen. Nun kommt der Kater.“ WERA/DPA
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