piwik no script img

Schock-Therapie für Freie Träger

■ Harburger Jugendclubs in Panik: Müssen sie 25 Prozent sparen? Von Kaija Kutter

Eigentlich habe das mit der Bewirtschaftung „kaum jemand richtig begriffen“, stöhnt Finanzbehörden-Sprecher Klaus Hampe. Wie sein Chef, Ortwin Runde, bereits am 11. Januar bekannt gab, dürfen bis zur Verabschiedung des 94er Haushalts Ende April nur 75 Prozent der Betriebsmittel verplant werden. „Das heißt aber nicht, daß wir 25 Prozent kürzen“. Dies sei schon allein deshalb nicht möglich, weil die gesetzlich festgeschriebenen Leistungen vieler Behörden die 75-Prozent-Grenze überschreiten.

Was aber dann? Hamburg hat 1994 einen Betriebshaushalt von 15,3 Milliarden Mark. Aus dem verbleibenden Viertel, rund 3,75 Milliarden Mark, müßten bis zu 100 Millionen Mark, sprich 0,75 Prozent, herausgespart werden, sagt Hampe. Allerdings nur aus dem „disponiblen Volumen“ von rund einer Milliarde Mark. Hampe: „Das geht vom Streusand über Kraftfahrzeuge bis hin zu Theatern und Zuwendungsempfängern“.

In einem Brief des Harburger Jugendamts an die freien Träger der Jugendhilfe liest sich das so: Bis zur Haushalts-Verabschiedung sei davon auszugehen, „daß für das Jahr 1994 75 Prozent der Mittel zu Verfügung stehen“, die 1993 bewilligt wurden. Die Jugendtreffs sollen dem Amt schriftlich darlegen, welche Konsequenzen diese Kürzung für ihre Einrichtung hat. „Wir werden das Anfang März im Jugendhilfeausschuß diskutieren“, sagt Jugendezernent Horst Stuhlmann.

Bei den Erziehern und Sozialarbeitern vor Ort hat diese Ankündigung zu Recht Panik ausgelöst. „Wir haben vom Jugendamt offiziell die Nachricht gekriegt, daß wir 75 Prozent des letzten Jahres bekommen“, sagt die Leiterin des Freizeitzentrum Nöldekestraße, Angelika Kubasik. Als Konsequenz blieben nur zwei Möglichkeiten: „Entweder, wir machen ab September dicht. Oder wir machen eine Teilschließung“. So bereits geschehen in der „Blechkiste“, einem Harburger Club, der rund 50 Jugendliche betreut. „Nachmittags haben wir bereits dicht“, sagt der Erzieher Jürgen Schmidt. Auch hat die „Blechkiste“ die Hälfte der Honorarstunden gekürzt.

Im Unterschied zu den staatlichen Häusern der Jugend trifft die 25-Prozent-Regel Freie Träger doppelt hart. Sie müssen, um Gehälter und Miete zu zahlen, die Sach- und Honorarmittel aufbrauchen. Die Kürzung, so Angelika Kabusik, mache die Nöldekestraße bewegungsunfähig: „Mit null Material kann ich keine Kinder- und Jugendarbeit machen“. Nicht mal die Planung eines Ferienprogramms liege da drin.

„Klar ist, daß es nicht um 100 Prozent geht, sondern um 75 plus X“, räumt Dezernent Stuhlmann ein. Wenn flächendeckend nur 0,75 Prozent des Haushalts gespart werden, könnte der Schaden nicht groß sein. Es sei denn, die Sparkommisare gehen den Weg des geringsten Widerstands und heimsen bei den „Zuwendungsempfängern“ den Löwenanteil der Sparquote ein. Oder, es werden durch Schock-Therapie kleinere Läden wie die „Blechkiste“ zur Aufgabe animiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen