Schnitzler und die Elche

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(Der schwarze Kanal von und mit Karl-Eduard Schnitzler, Montag, DDR 1) Die größten Kritiker der Elche - berufen sich ständig selber auf welche. Auf wen träfe diese Weisheit (etwas frei nach der „Neuen Frankfurter Schule“) eher zu als auf den Propaganda-Altmeister Karl-Eduard Schnitzler aus dem Fernsehkanal DDR 1? Schade eigentlich, daß ihn das DDR -Publikum so undankbar aufnimmt, obwohl er stets direkt nach den so beliebten altdeutschen Montagsspielfilmen den Bundesgeier des West-Fernsehens über die ansonsten matten Scheiben des Ost-TV tanzen läßt (Spitzname: „Karl-Eduard Schni“, weil ein jeder während der Anmoderation blitzartig den Kanal wechselt). Schade deshalb, weil „Schni“ es so genial wie kein anderer schafft, seine Argumentationskette in Sachen Verelendung und Ausbeutung in der BRD mit kritischen Beiträgen von ARD und ZDF zu untermauern, dessen völlig unbeschadet aber im selben Atemzug diese Sendeanstalten als „Hetzsender“ der westdeutschen „Großbourgeoisie“ anprangert.

Die bewegten Zeiten im Ost-West-Verhältnis versprachen einiges für Schnitzlers Schwarzen Kanal am vergangenen Montag. Der Mann enttäuschte nicht. Kernsatz des Löwenthals vom DDR-Kanal über seine westlichen Kollegen: „Schreihälse wird es immer geben, aber warum müssen die dann gerade Berufe wie Politiker oder Journalisten ergreifen?“ Was wirft der gute Ede „Schni“ den bösen Bonner Ultras und ihrer Presse vor? Allesamt betrieben sie derzeit in Richtung DDR -Bürger eine großangelegte „Heim-ins-Reich„-Aktion. Darüber ließe sich ja noch trefflich streiten. Was aber soll der geneigte TV-Kunde von dieser Aktion halten, wenn dann als Beleg dafür Wohnungsbauministerin Hasselfeld im Originalton ARD zitiert wird: „Es wird kein spezielles Wohnungsbauprogramm für die Übersiedler geben“, wenn klug recherchierte ZDF-Beiträge, die die Berufsaussichten der Ex -DDRler im Westen eher kritisch beurteilen, über den Schwarzen Kanal geschickt werden, wenn eine Sozialarbeiterin aus dem West-Fernsehen zitiert wird, die für alle DDR-Übersiedler gleichsam nur einen Weg vorzeichnet: erst Alkohol- dann Drogenabhängigkeit und danach nur noch eins: Knast? Immer wieder versucht der gute Schnitzler, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, und immer wieder haut er mit voller Wucht zwischen beide.

Aber man soll ihm kein Unrecht antun, er trägt nicht den Anspruch der Unfehlbarkeit mit sich herum: „Niemand ist uns gegenüber kritischer als wir selbst. Wir stellen immer Fragen, aber bei der Beantwortung sind die Kapitalisten inkompetent.“ Bleibt also unter lauter „Schreihälsen“ um ihn herum als allein anerkannter Kritiker nur Schnitzler selbst

-zwingend logisch dann der allerkritischste. Als Elch aus einem Westmedium bin ich natürlich schon jetzt wieder gespannt auf kommenden Montag: Erst Spielfilm, dann Karl -Eduard Schnitzler - voll ausgeschrieben.

Ulli Kulke