Schnitzelkrise und andere Schweinenews: Die Schweine!
Die „Bild“ hat Schnitzelstarre, Dänemark baut einen Schweinezaun und deutsche Säue müssen in die Klöckner-Koje. Quo vadis, Krustenbraten?
Das Zentralorgan des Schweinesystems schlägt Alarm: Unter dem Stichwort „Schnitzel-Krise“ warnt die Bild vor einer großen Teuerung von Schweinefleischprodukten. Angeblich lässt die in China wütende Schweinepest diesen Global Schweineplayer in Europa alles aufkaufen, was nicht bei „oink“ in der Suhle ist.
Ausgerechnet das Schwein. Unsere Wurst. Unser Wappentier. Kein Schwein weiß, warum die deutschen Farben nicht Rosarot und Braun sind; was statt Miss Piggy der Adler auf der Flagge zu suchen hat; welch weltfremder Geist einst die Worte „nöff“, „quiek“ und „grunz“ aus dem Text der Nationalhymne strich.
Das stinkt übel nach drohendem Verzicht. Doch leider ist dem Schwein damit noch nicht einmal geholfen. Gegessen wird es nun halt vom Chinesen. Schöner wäre es, der Preis für Schweinefleisch stiege wegen strikterer Einhaltung des Tierschutzgedankens. Doch im Gegenteil: Bundesagrarministerin Julia Klöckner will nun sogar die bislang verbotenen zu engen Einzelkäfige legalisieren.
Die Schweine können sich dort weder vernünftig umdrehen noch die Beine ausstrecken. Wenn ich als Schwein da plötzlich einen Wadenkrampf bekomme, kann ich mich nur viel zu langsam aufrichten. So eine Koje möchte man im ersten Moment mal Julia Klöckner wünschen. Im zweiten Moment wird man allerdings vom Armeleuteschinken im eigenen Kühlschrank daran erinnert, dass man selbst doch eigentlich das größte Schwein ist.
Zum Abgewöhnen
Wenn China also der einzige Grund für den Mangel ist, ist ökologisch wenig gewonnen. Eines aber vielleicht doch: Man gewöhnt sich den Verzehr ab. Das könnte sich entwickeln wie beim Fernsehfußball. Erst gibt es immer weniger im Free TV zu sehen, Pay TV wird immer teurer, man guckt immer weniger und irgendwann merkt man auf einmal: Hey, es geht doch auch ohne. Ich muss gar nicht mehr alles sehen und empfinde das sogar als Zugewinn an Lebenssinn und -qualität. In derselben Zeit, die man jahrelang für den Championsscheiß verbrannt hat, könnte man fünfzehntausend alten Damen über die Straße helfen. Und zurück.
In eine solche Richtung könnte sich der uns vom freundlichen Chinesen geschenkte Schweinefleischverzicht entwickeln. Anstatt mit einer wie von Wackersteinen beschwerten Wampe ächzend ins Bett zu sinken, um dort die Albträume der für uns gequälten Kreaturen nachzuträumen, von der Klöckner-Koje über den Transportlaster bis hin zum Bolzenschussgerät, schweben wir leichtfüßig und guten Gewissens dahin. Der Schlaf ist tief, nur gelegentlich garniert von Eros’ willkommenen Schweinkramgespinsten.
Vom Hausschwein nun zum Wildschwein, diesem späten Nachsendboten Tschernobyls. Doch selbst wenn man den wohlschmeckenden, doch notorisch belasteten Bio-Gesellen nicht vertilgt, ist er dennoch in der Lage, seine rosa Cousins von der Couchpotato-Front zu infizieren. Nicht mit Radioaktivität, sondern mit der Schweinepest.
Davor hat man in Dänemark Angst. Dort ist man noch schweineverrückter als hier. „Auf einen Dänen kommen zwei Schweine“, weiß der NDR. Und die (Schweine) sollen sich nicht anstecken, denn sobald auf jeden Dänen nur noch ein Schwein kommt, heißt es für ihn: Schwein gehabt. Ihm bleiben dann fast nur noch Beilagen.
Hauptsache Zaun
Daher haben die Nordmenschen einen Schutzzaun an der Grenze zu Deutschland gebaut, um die kranken Schweine vom bösen Nachbarn abzuwehren. Denn die pfiffigen Paarhufer benutzen ja die offiziellen Übergänge nicht, sondern latschen einfach querfeldein, wie ihnen der Rüssel gewachsen ist. Nach nur zehn Monaten (es sollen bereits Experten aus den USA vor Ort gewesen sein) ist der antischweinistische Schutzwall dieser Tage fertig geworden.
Schengen wird für die Schweine mal eben außer Betrieb gesetzt, doch das kennt man an der dänischen Grenze ja bereits wegen der Flüchtlinge. Helfen wird der Zaun jedoch wenig. Die Schweinepest ist auch in Deutschland kaum verbreitet und der zentrale Verbreitungsgrund sind weggeworfene Fleischprodukte. Aber Hauptsache, erst mal einen Zaun gebaut. Fast möchte man meinen, der Verzehr von Schweinefleisch beeinträchtige den Charakter. China, hilf!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe