piwik no script img

■ SchnittplatzHeitmannisierung

Eine Infamie, die die „Auschwitz-Lüge“ bei weitem übertreffe, so nannte die niedersächsische Landtagsabgeordnete Hulle Hartwig (SPD) in einem offenen Brief wütend die neue Werbekampagne des Sterns. In einem Fernsehspot für die Zeitschrift war das weiße Stern-Logo auf rotem Grund zu sehen, darunter stand: „Für Sarah: Der Stern“, eine Frauenstimme wiederholte den Text im Off.

Der Spot war Mitte Oktober vor der 19-Uhr-Ausgabe der Nachrichtensendung „heute“ im ZDF gezeigt worden. Ein ähnliches Motiv hing als Plakat in vielen deutschen Großstädten. Grund des Protests der Sozialdemokratin: „Sarah“ war im „Dritten Reich“ der staatlich verordnete Zwangsname für jüdische Frauen. Der Spot, so Hulle Hartwig, erinnere in Verbindung mit dem Stern-Logo an den Judenstern und relativiere so den Holocaust.

Hulle Hartwig hat ihre Beschwerde auch an den Deutschen Werberat, ein Selbstkontrollorgan ähnlich der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) der deutschen Filmwirtschaft, weitergeleitet. Der Deutsche Werberat hat in der Vergangenheit Werbekampagnen, die ihm wegen rassistischer und sexistischer Aussagen vorgelegt worden waren, scharf kritisiert. Diese Kampagnen wurden deswegen in der Regel aus dem Verkehr gezogen.

Um so mehr überrascht die harsche Antwort, die Frau Hartwig von Uwe Albrecht, dem Vorsitzenden des Deutschen Werberats, erhielt. In dem Antwortbrief schrieb Albrecht, daß statt eines offenen Briefes ein „normaler Brief“ an den Werberat und den Stern-Verlag Gruner + Jahr ausgereicht hätte.

Hulle Hartwigs Verweis auf die „Auschwitz-Lüge“ sei nicht nur „überzogen“, sondern „unhaltbar und nicht zu rechtfertigen“. Und weiter: „Wenn die Verbindung des Namens ,Sarah‘ mit dem Wort ,Stern‘ bei einer Person Betroffenheit auslöst, die mit der NS-Vergangenheit vertraut ist, hätte es für eine im politischen Leben tätige Person wie Sie naheliegen müssen, daß der von Ihnen hergestellte Zusammenhang den meisten der heute in Deutschland lebenden Personen nicht (mehr) bekannt ist.“Tilman Baumgärtel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen