■ Schnittplatz: „Frontal“-Skandal war hingemunkelt
Zur Zeit werden große Worte gern gelassen ausgesprochen. Erst warf die Berliner Zeitung dem ZDF-Magazin „Frontal“ Fälschungen vor, Dienstag abend nun tönten Hauser und Kienzle zurück: Die Vorwürfe seien eine „üble Mixtur aus Fakten, Halbwahrheiten und Verleumdungen“. Und tatsächlich hat sich die Zeitung bei dem Versuch, einem bornesken Skandal auf die Schliche zu kommen, selbst dem Verdacht ausgesetzt, es mit der Wahrheit nicht allzu genau zu nehmen.
So bleibt nach erneuter Ansicht der Beiträge nur ein kümmerlicher Rest von Vorwürfen. Dort, wo der „Frontal“-Reporter von einer Flak redete, war wohl „nur“ eine Maschinenpistole am Werke. Oder doch eine Panzerfaust? Und bin ich nach diesen (frei von militärischem Fachwissen verfaßten) Zeilen nun auch ein Fälscher?
Sowenig wie der „Frontal“-Reporter, dem man ja durchaus schludrigen Journalismus vorwerfen kann – daraus aber eine auflagensteigernde Skandalgeschichte zu mixen, ist schlicht unseriös. Denn würde man die Vorwürfe der Berliner Zeitung tatsächlich ernst nehmen, hieße das nichts anderes, als die Kriegsberichterstattung der Bundeswehr zu überlassen – denn dort weiß man wohl am besten, wann die Söldner gerade aus Übermut in die Luft schießen oder einen sniper im Visier haben.
Auch die Geschichte vom Luftballon (eigentlich war's Helium), der angeblich von Hannover nach Bihać wehte, bleibt kryptisch. Daß Hauser und Kienzle ausgerechnet den obersten ZDF-Wetterfrosch vor die Kamera zerrten, um ihre Rekordflug-Version zu stützen, war zwar seltsam, schlagend aber das Argument, daß der Polizeimeister, den die Berliner Zeitung als Kronzeugen zitiert, zu besagter Zeit gar nicht in Bihać war. Nichts Genaues weiß man also nicht, und wer will schon sagen, ob der Ballon nicht einen Gutteil seiner Strecke auf dem Rücksitz des Kameramannes verbracht hat. Doch auf Geschichten, die sich weder verifizieren noch falsifizieren lassen, sollte man lieber ganz verzichten. Sonst bleiben nur hingemunkelte Artikel, die den Begriff Fälschung derart inflationieren, daß sie mehr schaden als nutzen. Oliver Gehrs
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