■ Schnittplatz: Neues Deutschland: Leser sind rohe Eier!
taz-Leser Zeitung kennen sie: die Anzeigendebatte. Darf eine linke Tageszeitung Werbung von Bundeswehr, Atommafia und Gentechnik drucken? Nein, denn wir sind schließlich die Guten. Ja, denn wir brauchen das Geld. Schön, daß andere unsere Sorgen teilen. Das Neue Deutschland, ehemaliges Zentralorgan der SED, ist natürlich konsequenter als die taz. Hier lehnt man Anzeigen noch ab! Das ND verweigerte den Abdruck eines Inserates für immerhin 1.800 Mark. Welcher Bösewicht wollte da Rassismus, Sexismus, Militärismus in „Die sozialistische Tageszeitung“ tragen? Wurde der Schundfilm „Blaue Blusen aufgeknöpft“ beworben? Wollte das westdeutsche Monopolkapital die ND-Leser zum Überfall auf Polen hetzen?
Nein, es war Regine Hildebrandt. Die SPD wollte mit ihrer Vorzeige-Ossi den ND-Lesern per Inserat folgende verwerfliche Botschaft nahebringen: „Jede Stimme für die PDS bei der nächsten Bundestagswahl ist eine Stimme gegen den Wechsel“. Das hat Regine Hildebrandt im Februar im ND-Interview gesagt. Eine Woche vor der Bundestagswahl ist mit solchen Botschaften aber Schluß, zumindest im ND. „Wir möchten unsere Leserschaft nicht verprellen. Die ist nämlich sehr sensibel und befindlich“, erklärt ND-Marketingleiterin Dr. Irene Kohlmetz. „Wir sind nun einmal der PDS sehr nahe.“ Soviel Nähe will man nicht mit anderer, bezahlter Werbung stören. Mit Grausen erinnert sich die Redaktion, wie nach einer Kohl-Anzeige in der TV-Beilage „Telestunde“ wochenlang empörte Abonnenten anriefen.
Das passiert nicht noch einmal. Ab jetzt bleibt die Anzeigenabteilung hart: Werbung im ND informiert nur, wo man „Uhren des XII. Parteitags der SED“ nachbestellen kann und daß „Beide Stimmen für die PDS!“ korrekt sind. Auch in Zukunft wird weder Regine Hildebrandt, „noch irgendeine Telefonsexanzeige,“ zwischen die Annoncen rutschen, verspricht Kohlmetz. Doch auch den Linientreuesten sind vor Versuchungen nicht gefeit. „Hätte die Hildebrandt-Anzeige 10.000 Mark gebracht, hätten wir sicher ein wenig länger darüber nachgedacht.“ Robin Alexander
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