■ Schnittplatz: Piiiiiiiiiiip-Show
Es ist wieder da! Und das, obwohl früher, als es sich auf der Mattscheibe breit machte, kein Schwanz hinguckte.
Von Belang war es allenfalls für lüsterne Hausfrauen, wenn sie derweil schon mal die Knackarschigkeit unterm Fernsehtechnikerkittel begutachten konnten. Doch selbst in den langen Nächten war spätestens dann, wenn es auf Sendung ging, auch für jene Hin-Gucker, die schon damals länger konnten als andere, tote Hose angesagt. Inzwischen gilt es seit Jahren als nahezu ausgestorben. Nur in den Kabelnetzen der bayerischen Provinz fristet es gerüchteweise noch ein bescheidenes Dasein.
Doch jetzt ist es wieder auf den Bildschirm zurückgekehrt! Durchdringend pfeift es (seit kurzem auf Vox und ab September wohl auch andernorts) erneut dem nächtlichen TV-Voyeur entgegen: das Testbiiiiiiiiiiiiiiiiiild.
Mitten im Titten- und Telefonie-Stakkato der nachmitternächtlichen Werbeinseln, inmitten der endlosen Variationen rhythmischer Beischlafgymnastik appelliert die Hamburger 0190-Firma Media Call GmbH ausgerechnet mit einem Testbildbild an die schwellenden Gemächte gottverlassener Schäselongkartoffeln. Für lange fünfzehn Sekunden schreckt die Testbild-Reklame die einsamen Herzen mit 1.000 Hertz aus ihren feuchten Träumen.
Und wo die Geldschneiderkonkurrenten mit gänsefüßigen „Live“-Versprechen und nackten Tatsachen ködern, schreibt dieser Spot bloß ein dickes „ZENSIERT“ quer über den TV-Anachronismus. Nachdem nämlich Vox tatsächlich mehrfach die Ausstrahlung arg nullhundertnymphig produzierter Spots verhindert habe (wie Media Call-Girl Birgit Stave – Zwodreiachtundsiebzigzwonullzwozwo! – auf Anfrage zu berichten wüsste), überlässt der Kontaktanbieter alles Weitere der (schmutzigen) Phantasie des Zuschauers.
Ach, wenn wir das doch nur schon damals gewusst hätten: Mehrere hundertausend geile Testbildminuten für nur 10,50 Mark GEZ-Gebühr (Stand 1974)? Jetzt zahlen wir im 60-Sekunden-Takt DM 3,63.
Christoph Schultheis
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