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SchnittplatzMit den Zweiten kaut man besser

Im Land der Blinden ist der Einäugige König. Im Land der Dichter und Denker, der Vorweihnachtszeit und des Dualen Systems aber sind die Ausfallstraßen und Unterführungen (ja sogar der Lerchenberg, wie ZDF-Kommunikationschef Philipp Baum u.a. zu berichten weiß) mit Einäugigen plakatiert.

Zwischen gelbem Strom und magentaroten Panthern, überall dort also, wo nicht gerade die Teletubbies allen Erziehungsberechtigten und Großeltern ein abgründiges „Frohe Weihnachten mit den Teletubbies“ wünschen, dort lächeln derzeit andere, angejahrtere Gesichter auf Bürger und Bürgersteige herab: Es sind Thomas Gottschalk, Iris Berben, Wolf von Lojewski, Hauser & Kienzle & Kreti & Promi, die sich allesamt für die neue ZDF-Imagekampagne zwei Finger vor ein Auge halten.

Sockenkrawatteparfüm. Pentiumpentiumpentium. Der Gottschalk. Die Berben. Der Lojo. Zett-de-eff. Ze-de-romm. Das Gehirn des vorweihnachtlichen Passanten ist ein Möbiusband und sein Blick auf die ZDF-Werbetafeln entsprechend flüchtig. Werber wissen das. Ihnen bleiben nur wenige Augenblicke, um ihre Kunde ins Zerebrum des Kunden zu ätzen. Beim ZDF ist die Botschaft im Vorübergehen denn auch eindeutig: „ZDF – auf einem Auge blind!“ könnte sie lauten, oder „Äh, ZDF – streut einem Sand ins Auge?“ oder „ZDF – da müssen wir wohl ein Auge zudrücken!“ oder „Diese ZDF-Kampagne ist aber ganz schön ins Auge gegangen!“ und „Es muss doch ungeheuer frustig sein, wenn man seit fast 40 Jahren die treue Kukidentgeneration redlich umsorgt, und noch immer fängt keine Fernbedienung der Welt mit dem ewig Zweiten des Deutschen Fernsehens an.“

Derweil steht neben den ZDF-Plakatgesichtern selbst ein modernes Sinnsprüchlein geschrieben. Es ist immer dasselbe: „Mit dem Zweiten sieht man besser.“

Mitdemzweitensiehtmanbesser, mümmelt der Passant gedankenverloren vor sich hin. Mag sein, denkt er dann, aber mit den Dritten sieht man immerhin besser aus. Christoph Schultheis

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