Schnittplatz: Die Frau mit dem vorgebeugten Körper
„Engagiert, kritisch, couragiert – so geht Sabine Christiansen ihr Thema der Woche an“. So steht es auf der Website der Sabine Christiansen. Diese Selbstcharakterisierung setzt eine gehörige Portion Einfältigkeit voraus, denn die hehren Adjektive aus dem „Wörterbuch des Gutmenschen“ bedeuten nichts, aber gerne salbt sie sich mit ihnen und kann dadurch sich und anderen versichern, wie toll und großartig sie doch ist. Damit kompensiert sie ihre hölzerne Ausstrahlung. 6.000 Sendeminuten hat sie in vorbildlicher investigativer Haltung mit nach vorne gebeugtem Körper hinter sich gebracht und dabei 447 Gäste mit ihrem halbleeren Blick irritiert.
Am Sonntag nun geht die engagierte, kritische und couragierte Sabine Christiansen bereits zum 100. Mal auf Sendung. Dass zirka vier Millionen Menschen sich die Talkshow angucken, spricht nicht für Deutschland, denn in der Regel handelt es sich um öde Politikerrunden, eine Art Blauer Bock ohne Gesang und ohne Stimmung. „Außergewöhnliche Stilsicherheit“ attestiert sich die Dame, aber als ihr Oskar Lafontaine gegenübersaß, hatte sie nicht viel zu melden. Das ganze Elend aber offenbarte sich in der Sendung „Kunst statt Kultur?“, als sie den Ausknopf für den Dauerschnatterer Schlingensief nicht fand. Das war schön. Fast so schön wie ihre Themaeinführung: „Die Deutschen wollen lachen! Lachen um jeden Preis, und sei der noch so billig ...“ Doch, da hat sie Humor bewiesen, unfreiwilligen zwar, aber das ist lange her. Und kommt auch nicht wieder vor.
Immer mehr wird „Christiansen“ zur routinierten Angelegenheit, konform wie die Welt, in der die Christiansen lebt. „Kinder als Ware?“, „Kinder als Gewaltverbrecher?“ oder „Unsere Kinder. Generation der Gewalt?“ hießen Themen, auf die sie angeblich eine Antwort sucht, und „zwar hartnäckig, einfühlsam und mit Humor.“ Dafür wurde sie von Amica mit dem Titel „Deutsche Frau des Jahres“ bestraft, mit der „Goldenen Kamera“ von Hörzu und dem „Goldenen Löwen“ von RTL. Klaus Bittermann
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