: Schnelle Mark für tödliches Gift
■ Malermeister gesteht Lagerung von Sondermüll an bayerischen Autobahnen / Wie viele Fässer existieren, ist noch unklar / Polizei sucht weiter / Geschäftsführer der Ursprungsfirma auf freiem Fuß
Nürnberg (dpa/AFP) – Der Haupttäter im bayerischen Giftmüllskandal hat gestanden. Er wollte mit dem Abkippen der lebensgefährlichen Ladung eine „schnelle Mark“ machen, erklärte Klaus S. den Emittlern. Der inhaftierte 46jährige Malermeister aus Nürnberg gab zu, daß er knapp 20.000 Mark für die Entsorgung der sechs bis acht Tonnen zyanidhaltigen Abfalls von der Galvanikfirma Pieper & Co bekommen hat. Insgesamt seien drei Fahrten mit einem Miet-Lkw nötig gewesen, um die rund 30 Fässer in ganz Nordbayern zu verteilen. „Die Fässer werden eh am nächsten Tag gefunden und dann zähneknirschend von der Autobahnmeisterei entsorgt“, hatte der Mann spekuliert. Das berichtete gestern der Nürnberger Leitende Oberstaatsanwalt Heinz Stöckel.
Über die Giftigkeit der Ladung will sich der 46jährige, der durch Hinweise aus der Bevölkerung aufgespürt wurde, nicht im klaren gewesen sein. Gleichzeitig berichtete er jedoch, daß er sich bei den Fahrten „komisch“ gefühlt habe und drei Tage lang unter Sehstörungen gelitten habe. Die Giftstoffe, die er auf der Ladefläche hatte, fallen bei der Aufbringung von Metalloberflächen an und werden in Verbindung mit Wasser zu lebensgefährlicher Blausäure.
Auch der 31jährige Mitarbeiter des Malermeisters hat inzwischen gestanden und sitzt in Haft. Der vorübergehend festgenommene Geschäftsführer der Galvanikfirma, aus dem die Fässer stammen, konnte hingegen nach der Vernehmung wieder gehen. Die Staatsanwaltschaft vermutet, daß man ihm und seinem Stellvertreter allenfalls Fahrlässigkeit anhängen kann. Die Firma wurde jetzt angewiesen, den Sondermüll unverzüglich sicher zu entsorgen.
Wie viele Fässer Giftmüll überhaupt existieren, wissen die staatlichen Stellen bis heute nicht, „weil bei der Firma offenbar keine rechte Ordnung herrscht“, wie Stöckel sich ausdrückte. Die große Giftmenge war bei Grundreinigungs- und Abrißarbeiten angefallen.
Die illegale Giftmüll-Ablagerung wird laut Gericht als „umweltgefährdende Abfallbeseitigung im besonders schweren Fall“ verfolgt. Den beiden Malern drohen somit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.
Die Polizei suchte gestern vorsichtshalber noch nach weiteren Giftfässern, rechnete jedoch nicht mit weiteren Funden. In der vergangenen Woche waren 45 Fässer, meist entlang der Autobahn A3 zwischen Nürnberg und Regensburg und im oberpfälzischen Raum Amberg-Sulzbach, gefunden worden. Bei der Bergung von Giftfässern waren zwei Polizisten und sieben Feuerwehrleute durch Dämpfe leicht verletzt worden. Zyanidverbindungen können schwere Verletzungen bis hin zum Tod verursachen.
Illegale Müllablagerung an bayerischen Autobahnen und Schnellstraßen ist ein alltägliches Delikt: 9.000 Tonnen meist ungefährlichen Unrats finden die staatlichen Stellen Jahr für Jahr.
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