Berliner Szenen: Schnäppchen bei eBay
Subjekt und Objekt
Von Tinder oder ähnlichen digitalen Dating-Plattformen halte ich nichts. Von Ebay-Kleinanzeigen schon eher, denn ich durchforstete das Internet gerade nicht nach Männern, sondern nach einer Systemkamera, deren Neupreis meine finanziellen Kapazitäten übersteigt. Und tatsächlich – ich fand sie. In Mitte. Fast neu und fast günstig. Also kontaktierte ich die Person, die die Kamera ins Netz gestellt hatte. Noch am selben Tag trafen wir uns. In Mitte.
Anstatt mir allerdings die Kamera anzubieten, bot mir der Typ einen Kaffee an in seinem Lieblingscafé, wenige Meter nur von seiner Haustür entfernt. Komisch, dachte ich mir, aber der Gedanke an die Kamera ließ mich Ja sagen. Unter Kerzenschein überreichte er mir dann ganz feierlich das noch originalverpackte Objekt.
Nach dem Auspacken, das sich wie Geburtstag und Weihnachten zugleich anfühlte, drückte ich auf On und – nichts. Kein Geräusch, kein Aufleuchten des Displays. „Ah, sorry“, sagte der Typ dann. „Ich habe ganz vergessen, sie aufzuladen.“ Ach, was für ein Zufall, dachte ich und steckte missmutig das Ladekabel in die Steckdose neben mir.
Zufälligerweise nutze er die Ladezeit zur Belaberung. Nach einer halben Stunde zog ich den Stecker. „Jetzt reicht’s“, sagte ich und drückte wieder auf On, um ihn off zu machen. Wieder kein Lebenszeichen. „Das ist echt komisch“, meinte er. „Ja, das finde ich auch“, antwortete ich und verließ das Café. Als ich nach Hause kam, lag in meinem Postfach bereits eine Nachricht von ihm. Er werde die Kamera in Ruhe übers Wochenende aufladen, und dann könnten wir uns ja noch mal auf einen Kaffee treffen. In Kreuzberg. Ich lehnte ab. Wenn Subjekt Objekt vorschiebt, um sich zu daten, dann kann irgendetwas nicht stimmen – sowohl mit Subjekt als auch mit Objekt.
Eva Müller-Foell
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