■ Nationalistischer Backwahn: „Schmugglerbrötchen“
Frankfurt/Oder (dpa/taz) – Rings um den Bäckerladen von Marta Bruns in Frankfurt (Oder) hängen anonyme Boykottaufrufe. „Ein schönes Beispiel, was diese Gesellschaft aus manchen Deutschen macht, nämlich egoistische konsumgeile Schweine“ heißt es darin an die Adresse der Käufer von „polnischen Schmugglerbrötchen“.
Die nationalistischen Pamphlete sind Teil der Reaktionen auf die Tatsache, daß der vor vier Wochen eröffnete Laden ofenfrische Ware aus einer Bäckerei im polnischen Gorzow bezieht, wo der Vater der Inhaberin eine Bäckerei besitzt. So können Marta Bruns und ihr Ehemann Fritz das Brötchen für neun Pfennig, das Kilobrot für 1,50 Mark anbieten.
In den Augen der anderen Frankfurter Bäcker sind diese Preise „gefährlich“. Sie wandten sich deshalb in einem Brief an Stadtverwaltung, Handwerkskammer und Landesregierung. Darin fordern sie von den Bruns, sich den gleichen Tarif- und Hygienebestimmungen sowie dem Nachtbackverbot zu unterwerfen. Ansonsten drohen die Deutschbäcker damit, 1996 keine Lehrlinge mehr einzustellen.
Laut Gewerbeamt ist gegen die polnischen Backwaren nichts einzuwenden: „Ein Lebensmittelhandel muß nicht genehmigt, sondern lediglich angemeldet werden. Das ist geschehen.“ Demnächst soll es ein Vermittlungsgespräch zwischen Handelskammer, Stadtverwaltung und Bäckern geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen