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Schmuggler und Schlepper

■ Ostberliner Behörden wurde Schmuggeltreiben offenbar zu bunt

Berliner Zollbeamte verstehen die Welt nicht mehr. Im ersten halben Jahr 1988 beschlagnahmten sie in den U- und S-Bahnen über 4,6 Millionen unversteuerte Zigaretten, so viel wie im Vorjahr insgesamt. Anfang Juli riß der Schmuggelstrom von Ost nach West ab. Erstmals setzten offenbar DDR-Behörden dem Schmuggel über den Ostberliner Bahnhof Friedrichstraße Grenzen.

Der nämlich galt neben dem Frankfurter Flughafen als größte Drehscheibe für den Zigarettenschmuggel in die BRD. Drei U und S-Bahnlinien aus dem Westen kreuzen sich auf dem Bahnhof. Ohne die Grenzkontrolle passieren zu müssen, steigen dort täglich Hunderte Fahrgäste aus, um sich auf den Bahnsteigen an einem der zwölf Intershops mit westlichen Zigaretten, Spirituosen, Kaffee etc. einzudecken. Die Preise liegen bis zu 35 Prozent unter denen im Westteil der Stadt.

Die Shopping-Touren sind nicht verboten und auch kein Schmuggel, da die BRD, Berlin und die DDR ein einheitliches Zollgebiet bilden. Trotzdem machen auf den Westberliner Bahnhöfen rund 80 Zollbeamte Jagd auf zurückkehrende Intershopkunden, um in der DDR nicht erhobene Verbrauchssteuern zu kassieren. Wer im Zug erwischt wird, muß elf Pfennig pro Zigarette nachzahlen - bei Heimlichtuerei auch einen Strafzuschlag bis zu 100 Mark oder die Ware beschlagnahmen lassen. Wer mehr als 50 Stangen Zigaretten bei sich hat, dem blüht unter Umständen ein Steuerstrafverfahren.

Die Lieferanten organisierten Schmuggels rekrutieren sich nach Erkenntnissen des Zolls aus dem Personal von in Ost -Berlin akkreditierten Botschaften. Die Zigaretten werden für zwölf bis 14 Mark pro Stange in Diplomaten vorbehaltenen Versina-Valuta-Läden in Ost-Berlin gekauft. Sie werden entweder im Auto durch die Grenzkontrollen gebracht oder als Diplomatengepäck auf den Bahnhof Friedrichstraße geschleust und dort bei der Gepäckaufbewahrung aufgegeben.

Sicherer als Autotransporte sind Schiebereien über die Gepäckaufbewahrung auf dem Bahnhof Friedrichstraße. Gepäckscheine für volle Schmuggeltaschen wurden an Westberliner „Großhändler“ verkauft, die für das Abholen der Ware per U- oder S-Bahn in den Westteil der Stadt „Schlepper“ anheuerten. Rund 90 Kuriere seien in diesem Jahr festgenommen worden.

In den vergangenen Monaten wurden Zigaretten teilweise direkt aus den Nylontaschen für 20 Mark pro Stange verscherbelt. Viele Kunden seien nicht zum Intershop - dort kostet eine Stange Markenzigaretten 27,50 Mark - sondern gleich zur Gepäckaufbewahrung gegangen. Unkontrollierte Konkurrenz durch eine „realsozialistische Variante des duty -free-shops“ hätten die DDR-Behörden nicht dulden können, meinen Zöllner. Deshalb sei jetzt wieder Ruhe vor der Gepäckaufbewahrung eingekehrt.

Harald Rohde/dpa

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