■ Vorschlag: Schmuddeliger Grebo-Charme: Ein finnisches Rockfestival im Huxley's
Lappen, Rentiere, Polarkreis. Das fällt einem zuerst zu Finnland ein. Und natürlich Aki Kaurismäki, der in seinen Filmen ein zumeist düster-sarkastisches Bild der finnischen Gesellschaft zeichnet, dominiert von wetterbedingten Depressionen, Arbeitslosigkeit und exzessivem Alkoholkonsum. Abgesehen von den unseligen – von Kaurismäki erstmals gefeaturten – Fake-Musikern der Leningrad Cowboys, gab es aber auch immer außergewöhnlich gute finnische Rockbands, die den Sprung über die Landesgrenzen hinaus schafften. Genannt seien Melrose mit ihrer Mischung aus Hardcore und Psychobilly, die zeitweilig in Berlin lebenden Waltari, die alles crossovern, was musikalisch nicht niet- und nagelfest ist, und natürlich 22 Pistepirko, die unlängst ihre leider etwas untergegangene dritte Platte in Berlin vorstellten.
Daß nun die finnische Underground-Rockszene in gewohnter Manier und mehr denn je ihre Blüten treibt, trotz Anlehnung an angloamerikanische Vorbilder diese weiterhin extrem abgedreht und übersteigert zu interpretieren weiß: Das will an diesem Wochenende, passend als Kontrast- wie auch als Ergänzungsprogramm zur Fête de la Musique, ein finnisches Rockfestival mit sechs Bands im kleinen Huxleys beweisen.
Jimsonweed und St. Mucus spielen dabei den gewohnten Pomp- Schlockrock Marke Soundgarden, Alice in Chains etc., nicht zuletzt weil sich die Sänger ihre Vorbilder wohl mehr als genau angehört haben. St. Mucus sind etwas zupackender und klarer als Jimsonweed, verwenden mehr gefällige Hooks und verschwinden in nicht ganz so vielen gefühligen Löchern. Greenhouse AC aus Rovaniemi haben Bands wie die Stooges oder die New Christs gut verstanden und verinnerlicht, und Lary & The Lefthanded kennen Pulp Fiction, lassen es krude scheppern und surfen geschickt auf den Brettern, die gemeinhin Trash, Billy und Jimmy die Orgel bedeuten. Am wenigsten zu fassen sind die Generators, denen weder abstruse Stilbrüche noch gespielte Gimmicks fremd sind. Bei denen zappelt es unruhig und funky, da bratzen die Gitarren und pluckern die Keybords, daß es eine Freude ist. Wer eine Kreuzung aus Chili Peppers und Black Grape braucht, der liegt hier richtig. Und auch wenn hier den Originalen manchmal etwas zu arg nachgeeifert wird: Bei allen Bands sind finn-typische Brechungen und schmuddeliger Grebo-Charme natürlich mit im Programm. Gerrit Bartels
Finnisches Rockfestival, heute und morgen im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, ab 21 Uhr (alle Bands spielen an beiden Tagen!)
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