: Schmerzen lindern
Das ursprünglich für Menschen mit unheilbaren Tumorerkrankungen entwickelte Konzept der Palliativmedizin ordnet die Heilung der Krankheit dem Wohlbefinden des Patienten unter und bemüht sich, dessen Lebensfreude und die Funktionsfähigkeit des Körpers zu erhalten. Sie stellt die Linderung von Schmerzen in den Vordergrund und berücksichtigt psychische und spirituelle Bedürfnisse. Inzwischen ist die Palliativmedizin (abgeleitet vom lateinischen Pallium = der Mantel) auch für jede andere unheilbare Erkrankung anerkannt.
Eine spezielle Ausbildung für Palliativmediziner wird in Deutschland noch nicht angeboten. Die „würdevolle Begleitung“ Sterbender wird durch die so genannte Hospizarbeit realisiert. 1986 gründete sich das erste Hospiz in Aachen, heute existieren hierzulande 85 stationäre und neunhundert ambulante Hospize.
Unter dem Motto Sterben ist Leben lehnt die Palliativmedizin die in Holland seit dem 11. April dieses Jahres gesetzlich legalisierte Sterbehilfe entschieden ab. Sie erinnere an Euthanasieprojekte der Nazis, in denen Alte, Kranke und Behinderte als „lebensunwertes Leben“ vernichtet wurden. Die Menschenwürde sei gefährdet, zumal man unerträgliche Schmerzen inzwischen durch moderne Schmerztherapien verhindern könne – so die Hauptargumente. Zum Beispiel wurde die appetitfördernde Wirkung von THC, dem Hauptwirkstoff des Marihuanas, untersucht: Patienten nahmen unter THC-Gabe bis zu 0,4 Kilogramm zu, während Placebopatienten bis zu einem Kilogramm abmagerten.
Während sich mit Ausnahme der PDS alle Parteien gegen das holländische Gesetz aussprechen, vermelden Meinungsumfragen eher Zuspruch – allerdings mit widersprüchlichen Zahlen. In einer von der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) in Auftrag gegebenen Studie vom Mai vorigen Jahres befürworteten 64 Prozent der Befragten die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe. Die DGHS setzt sich bereits seit zwanzig Jahren für das Selbstbestimmungsrecht der Patienten ein.
Die daraufhin von der 1995 in Dortmund gegründeten Deutschen Hospiz Stiftung initiierte Umfrage vom Juli 2000 kommt nur auf 35,4 Prozent Zustimmung, was mit der bisher mangelnden Aufklärung der Bevölkerung über die Palliativmedizin erklärt wird. Unter den befragten Berlinern bekannten sich 50,5 Prozent als Befürworter aktiver Sterbehilfe – die höchste Quote aller Bundesländer. SH
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