■ Schmelzen alte EU-Vorschriften dahin, wird Kakaobutter durch Fremdfett ersetzt: Bitterer Geschmack der Euroschokolade
Von wegen, Schokolade ist Schokolade. Das gilt weder für die Qualität, noch für die Herstellung. Und schon gar nicht für die Vorschriften. Ob Schokolade, Milchschokolade, Haushaltsmilchschokolade, Schokoladeüberzugsmasse oder Schokoladenstreusel: jedes Produkt hat einen eigenen Paragraphen in der Kakaoverordnung. Da steht dann zum Beispiel drin, daß Schokolade mindestens „35 Hundertteile Gesamtkakaotrockenmasse“ enthalten muß, Milchschokolade aber nur 25 Hundertteile.
Bislang galt – bis auf Ausnahmen für Briten, Iren, Dänen, Schweden, Finnen und Österreicher – ein Schokoreinheitsgebot. Das soll nun insgesamt für die EU geknackt werden. Das neue Gesetz würde Schokoladenfabrikanten die Beimischung von 5 Prozent billigem Pflanzenfett erlauben. In bestimmten Schokoprodukten wie etwa Riegeln wird schon heute Fremdfett eingesetzt, nur „Massivschokolade“ ist ein letzter Hort der Kakaobutter.
Fällt diese Qualitätsnorm, bleiben auch die Kakaoproduzenten in Afrika und Lateinamerika auf der Strecke. Im nächsten Frühjahr, warnt das Panos-Umweltinstitut, werde sich Brüssel entscheiden. Die deutsche Industrie befürwortet die Aufhebung des Reinheitsgebots, weil Fremdfett billiger ist und weil Chancengleichheit bestehen müsse, so Hans Imhoff von Stollwerck in Köln. Außerdem könne den Unterschied zwischen Palmkernfett und Kakaobutter angeblich „nicht einmal Jesus Christus herausschmecken“.
Die EU-Neuregelung „würde all unsere Hoffnungen auf ein Überleben begraben“, sagt dagegen Cissé Locine vom Nationalbüro der Kakaofarmer der Elfenbeinküste. Der westafrikanische Staat ist mit 1,1 Millionen Tonnen weltweit größter Kakaoproduzent, hier wachsen rund vierzig Prozent der Weltkakaoernte. Die Kakaofarmer prophezeien weltweite Folgen der drohenden Beschlüsse. Würde dem Druck der Schokoladenhersteller nachgegeben und die Beimischung billiger Pflanzenfette erlaubt, zögen die USA nach.
Die Internationale Kakaoorganisation ICCO befürchtet durch die EU-Entscheidung Produktionseinbußen von jährlich 125.000 Tonnen – und einen Preisverfall. Für die Farmer der Elfenbeinküste käme dies einem Spiel mit ihren Existenzen gleich. Die Privatisierung des Kakaomarktes in ihrem Land hat den Farmern schon jetzt Nachteile gebracht. So zahlen die privaten Vermarkter pauschal zehn Prozent weniger, wenn die Ernte Kakaobohnen schlechter Qualität enthält. Farmer erhalten derzeit 750 Dollar für eine Tonne Kakao. Der Preis auf dem internationalen Markt schwankte 1997 zwischen 1.200 und 1.700 Dollar. Manfred Kriener
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