Schließung des Nokia-Werks Bochum: Politpromis wechseln Handy-Marke
Immer mehr Stimmen fordern als Antwort auf die Werksstilllegung zum Boykott von Nokia-Produkten auf. Politiker geben ihre Handys ab. Steinbrück wirft Nokia Gefährdung gesellschaftlicher Stabilität vor.
BOCHUM/DORTMUND/BERLIN ap/dpa/rtr/afp Nach der Bekanntgabe des Handyherstellers Nokia, sein Werk in Bochum zur Jahresmitte zu schließen, mehren sich in Deutschland die Stimmen, die zum Boykott von Nokia- Produkten aufrufen. Dietmar Muscheid, DGB-Landeschef von Rheinland-Pfalz sagte:"Wer heute ein Handy kauft, sollte bei seiner Kaufentscheidung bedenken, welche katastrophalen Konsequenzen das Verhalten des Unternehmens in Bochum für Tausende von Mitarbeitern geschaffen hat". Das Aus für das Werk in Bochum bezeichnete er als "eine skandalöse Abzocke von Fördermitteln".
Laut Bild wollen auch mehrere Politiker ihre Nokia-Handys zurückgeben. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte dem Blatt: "Was Nokia in Bochum vorhat, ist eine Riesensauerei. Ich habe heute mein Büro gebeten, mir ein anderes Handy zu besorgen." Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) will ebenfalls sein privates Nokia-Handy entsorgen und lässt für sein Ministerium prüfen, ob ein Boykott des Handy-Herstellers zulässig sei.
"Ich habe den Leiter unserer Zentralabteilung angewiesen zu schauen, ob und unter welchen Bedingungen wir bei Nokia-aussteigen können", zitierte Bild Seehofer. Als Grund nannte er Solidarität gegenüber den Nokia-Mitarbeitern und ihren Familien. "Das Verhalten der Nokia-Manager erzürnt mich", so Seehofer.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat Nokia wegen der geplanten Schließung seines Bochumer Werkes eine Gefährdung der gesellschaftlichen Stabilität vorgeworfen. Den betroffenen Beschäftigten sollte man aber keine allzu großen Hoffnungen machen, dass die Entscheidung noch revidiert wird, warnte Steinbrück am Freitag im Deutschlandfunk. "Ich glaube, man sollte da keine falschen Hoffnungen entstehen lassen. Da sind die Entscheidungen offenbar in Finnland getroffen worden", sagte Steinbrück, der bis 2005 Regierungschef in Nordrhein-Westfalen war.
Der derzeitige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will weiter für die Arbeitsplätze im Nokia-Werk Bochum kämpfen. "Dazu sollen Gespräche mit Nokia stattfinden," sagte der CDU-Politiker den Dortmunder Ruhr Nachrichten laut einer Vorabmeldung. "Wir wollen zunächst wissen, warum die Geschäftsführung nicht das Angebot der Belegschaft annimmt, Kosten zu senken." Angesichts der Vorgänge in Bochum frage er sich, wo dabei die unternehmerische Ethik bleibe.
Überdies beraten am Freitag Vertreter von Stadt, Land und Arbeitsorganisationen in Bochum über den Erhalt von Nokia-Arbeitsplätzen und die Suche nach Ersatzstellen. Der "Runde Tisch" solle den Beschäftigten eine Perspektive geben, teilte die Stadt mit. Dabei sind unter anderem NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) und die Betriebsratsvorsitzende bei Nokia, Gisela Achenbach.
Unterdessen hat der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Harmut Schauerte (CDU) zur Versachlichung der Debatte angemahnt. Es wäre nach jetzigem Sachstand falsch, den Eindruck zu vermitteln, es liege "Subventionsabzocke" vor, sagte Schauerte der Neuen Osnabrücker Zeitung. Hierfür gebe es keine Anzeichen. Das Handy-Unternehmen habe sich offenbar an die Bedingungen gehalten, von denen die öffentlichen Fördergelder abhängig gemacht worden seien. Es werde lediglich noch geprüft, ob die zugesagte Zahl neuer Arbeitsplätze geschaffen worden sei, fügte Schauerte hinzu.
Der Bochumer SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer wirft jedoch Nokia vor, bei der Entscheidung über die Schließung des Bochumer Werks gegen europäische Gesetze verstoßen zu haben. Schäfer verwies am Freitag im RBB auf die EU-Vorschriften zur Beteiligung der Arbeitnehmer. Danach hätte der Europäische Betriebsrat von Nokia rechtzeitig vor einer Entscheidung über eine Werksschließung oder eine Verlagerung der Produktion unterrichtet und beteiligt werden müssen. "Das ist in diesem Fall nachweislich nicht geschehen", sagte Schäfer. Obwohl der Vorstand bereits im Dezember die Schließung des Bochumer Werks beschlossen habe, sei der Europäische Betriebsrat erst Mitte Januar, "zwei Minuten vor der Aufsichtsratssitzung, per E-Mail informiert worden".
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