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Schlichtung bei "Stuttgart 21"Streit über die Friedenspflicht

Auch bei der zweiten Schlichtungsrunde kommen sich Gegner und Befürworter nicht näher. Vermittler Geißler versucht die angespannte Stimmung zu lockern.

Wirtschaftsminister Pfister (FDP) und Umweltministerin Gönner (CDU) vor dem zweiten Schlichtungsgespräch. Bild: dapd

STUTTGART taz | Zu Beginn der zweiten Schlichtungsrunde im Streit über das Bahnprojekt "Stuttgart 21" musste am Freitag erneut geklärt werden, wie die Friedenspflicht zu definieren sei - und damit drohte die Vermittlung von Heiner Geißler (CDU) erneut zu scheitern.

Am Abend zuvor seien die Arbeiten für das Grundwassermanagement fortgeführt worden, kritisierte der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Gangolf Stocker. Die Deutsche Bahn war der Auffassung, dass es sich um erlaubte Arbeiten handle. "Wir halten unsere Zusagen ein", sagte Technikvorstand Volker Kefer. Die vom Aktionsbündnis ebenfalls monierten Arbeiten im Südflügel dienten der Sicherheit. Beide Seiten einigten sich schließlich auf eine gemeinsame Ortsbegehung.

Die angespannte Stimmung verstand Geißler aufzuhellen, indem er die Einschaltquoten der ersten Schlichtungsrunde vor einer Woche (6,8 Prozent im Südwestrundfunk) mit denen einer Telenovela (5,4 Prozent) verglich. Inhaltlich ging es erneut um die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart. Eine Annäherung gab es aber nicht.

Im Mittelpunkt stand wieder ein Schlagabtausch zwischen dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) und Kefer. Anhand der durchschnittlichen Haltezeiten sowie der Ein- und Ausfahrtsgeschwindigkeiten beim Durchgangs- und beim Kopfbahnhof wollte Kefer beweisen, dass die Gesamtbelegungszeit eines Gleises beim Durchgangsbahnhof ungefähr halb so lang sei.

Der Tiefbahnhof erhöhe den Grundtakt von aktuell 683 Fahrten pro Tag auf 936 Fahrten. In der Spitzenstunde vermehrten sich die Fahrten von 54 auf 64. Im Gegensatz dazu wollte sich Palmer daran orientieren, wie viele Züge in der Praxis fahren, wie sie erreichbar und ob sie pünktlich sind. "Ein Großteil der Zuwächse entsteht dort, wo er nicht gebraucht wird."

Für Pendler verschlechtere sich das Angebot in der Spitzenzeit gegenüber heute. Auch würde der künftige Fahrplan Anschlüsse an andere Züge nicht berücksichtigen. Palmer sprach von einem "Kraut-und-Rüben-Fahrplan". Das einzige Argument, das die Gegenseite dagegen anbringen konnte, war der Hinweis auf einen Zwischenstand - Optimierungen seien möglich.

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5 Kommentare

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  • R
    Rohrkolben

    Bei den Schlichtungsgesprächen wird gezeigt, dass ein Wahnsinn nicht mehr gestoppt werden kann. Der Vorteil dabei ist, dass nun viele Schwachstellen gezeigt werden. Wie weit diese Debatten das Planungskonzept beeinflussen werden, muss sich erst einmal zeigen. Ich würde gerne Bahn fahren, aber in den Nachtzügen tummeln sich Räuberbanden und tagsüber ist man oft mit Verspätungen konfrontiert. Mir ist das Bahnfahren vergangen. Kann dieses Defizit verbessert werden?

  • JS
    Johann Svalbard

    Die Schlichtungsveranstaltung ist höchst interessant.

    Zeig sie doch, wie dilettantisch die Planung zu diesem Projekt erfolgt ist. Was bisher nur zu vermuten war, wird hier in bittere Realität demonstriert. Die Verantwortlichen haben keine Verbindung mehr zum Bürger, dessen Interessen sie ja eigentlich vertreten sollen, die sie aber in keinster Weise interessiert.

    Die Regierenden im Stuttgarter Landtag haben bei der letzten Landtagswahl die Stimmen von 2.170.760 der 7.516.919 Wahlberechtigten erhalten. Das sind 28,9% aller Wahlberechtigten !!!

    Dank unserem „demokratischen„ Wahlsystem ist dies dann die Mehrheit der Mandate!!!

     

    Gute Nacht Deutschland!!

  • A
    Anna

    Wenn die Tunnelbahnhof-Planer nach 15 jahren Planung noch immer keinen Nachweis liefern können, dass der neue Bahnhof dem alten überlegen sein wird, in Punkto Kapazität in den Hauptverkehrszeiten, in Sachen Pünklichkeit, Komfort und vor allen Dingen auch in Sachen von Umleitungsmöglichkeiten von S-Bahnen und Zügen bei Tunnelsperrungen oder anderen Störungen kann man doch nicht anfangen den Schlossgarten zu zerstören, das Grundwasser um 10 m absenken, den Bahnhof teilweise abreißen! Ich habe die Mediation von Herrn Geißler gesehen, die war sehr informativ, und es wird immer klarer, wie Politik und Bahn mit allen Mitteln versuchen, Zahlen und Fakten zu manipulieren. Die Kopfbahnhofbefürworter sind absolut informiert und konnten Unstimmigkeiten sofort aufdecken. Je mehr man erfährt, desto klarer wird, wie dramatisch die Verschlechterung besonders im Nahverkehr wird, nicht nur während der 15 bis 20 Jahre Bauzeit, sondern sogar wenn das ganze fertig ist.

  • H
    h.morun

    Nun zeigt sich, das für 12 IC Züge am tag Milliarden bezahlt werden sollen, die den Flughafen anfahren sollen. Der Fughafen Stuttgart stellt sich in der Diskussion auf die Stufe von Düsseldorf und Frankfurt, wie die Züge 40 mal am Tag halten. Aber auch dort dünnt die bahn wegen fehlender Notwwendigkeit die Züge aus. Es fahren weniger. In Stuttgart? will man für 12 Züge / tag Milliarden ausgeben. Wofür? Um hinterher zu sagen: wir brauchen ein zweitens Gleis und zweite Tunnnel? um dann auf 24 Züge am tag zu kommen? Oder um zu sagen: nun haben wir die Menschen mit der bahn zum Flughafen gebracht, nun brauchen wir eine zweite Startbahn? Druckmittel um den gerade verhinderten Ausbau doch noch zu schaffen? Die Kapazität am Flughafen ist bereits fast erschöpft. Wozu nun diese Miliarden versenken?

  • T
    tystie

    Noch deutlicher, als beim ersten Aufeinandertreffen haben die Gegener von S21 ihre Gegener argumentativ an die Wand gespielt. Ein Höhepunkt war Kefers Satz: "Die Frage nach der ausreichenden Kapazität werden wir nicht beantworten können", womit er sich auf die 'endgültige' Ausarbeitung eines funktionierenden (!) Fahrplans bezog.

    Wer sich die Schlichtung unvoreingenommen ansieht, dem müssen inzwischen steile Sorgenfalten auf der Stirn entstehen. Es ist höchst bedauerlich, wie sich die höchst wichtige Eisenbahn als Miesmacher der Leistungsfähigkeit des schon vorhandenen, leistungsfähigen Kopfbahnhofs betätigen muss. Der Eindruck einer unseligen Kamerilla von dumpfen Provinzpolitikern, die der Bahn das eingebrockt haben, verdichtet sich immer mehr.

    Übrigens gleicht das Verfahren durchaus in vielem einer 'Anhörung': Bessere Argumente zählen überhaupt nichts, die tumben Amtsinhaber lassen sich keinen Millimeter von ihrer Besserwisserei abbringen. Besonders unangenehm in diesem Zusammenhang: Die Verkehrsministerin, die sich als wahre Juristin erweist.

    Weiter so, S21-GegnerInnen, selbst der größte tönerne Koloss bekommt irgendwann Risse!