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Schlichtes in Schiefer

■ „Karen Lukas, Mode“ nennt sie sich knapp. Die Bremerin schneidert auf Bestellung Klassisches in Naturtönen

„Der Schuh“, am Wall 139. Zwischen exquisitem Schuhwerk von Ann Demeulemeester und Charles Jourdan im exklusiv designten Ladengeschäft hängt die Kollektion von Karen Lukas. Blusenrock und Leinenstrickhemd, Röcke mit versetzten Bügelfalten, eng geschnittene trompe l'÷uil-Kleider. Vorne knöchellang, läuft hinten der Saum kess nach oben und läßt allerhand Bein sehen. „Aber nicht unanständig“. Miniröcke mag die 29jährige dagegen nicht. Und sie zeigt auch nicht gerne ihren Bauch. Kreativer Kompromiß in Zeiten des 60-Revivals, wo bauchfrei nun mal angesagt ist: der nach unten „verrutschte“ Kragen. „Wer Bauch zeigen will, knöpft den Kragen auf, wer nicht, läßt es.“ Trends läuft sie nicht hinterher. „Da verlaß ich lieber die Stadt.“ Schiefer- bis sandsteinfarben ist die Couture-Welt Lukas', „obwohl das ja eigentlich keine Farben sind“. Die Materialien: meistens Schurwolle und Leinen. Daß die gelernte Schneidermeisterin ihre Kollektion am Wall feilbieten kann und – Synergie, ick hör dir trapsen – manche Schuh-Kundinnen zum Kauf von Karen Lukas-Einzelstücken animiert, ist „Zufall, wie alles in meinem Leben“. Ihre Schuhe hatte Karen Lukas immer hier gekauft – auf Raten. Und immer wieder sprach die Inhaberin sie an: Was Du wieder anhast! Nach einem Tag sollte die Präsentation vorbei; dann wurde eine Dauereinrichtung draus.

Zufall auch, daß die gebürtige Bremerin nach dreieinhalb Gesellenjahren in Ateliers in Deutschland und Frankreich und halbjähriger Meisterschule bei „Müller & Sohn“ (die einzige hierzulande) in ihre Heimat zurückkehrte. Sie griff zu, als ihr – mit fünf anderen Freiberuflern – ein luftiges Atelier in der Alexanderstraße angeboten wurde. Obwohl der Modemarkt in Bremen „gesättigt“ sei und die BremerInnen modisch „sehr konservativ“. Auf 50 schätzt sie die Zahl ihrer StammkundInnen, des harten Kerns, der auch mal im Atelier vorbeikommt, um sich ein neues Stück fertigen zu lassen. Blazer ab 550 Mark, Kostüme ab 800. „Schon das ist Selbstbetrug, weil ich mir keinen Meisterlohn berechne.“

In welchen Kleidern fühle ich mich wohl? Was paßt mir nicht am Outfit der Leute, die ich auf der Straße treffe? Zwei Kriterien, an denen Karen Lukas ihre Entwürfe orientiert. Schon in der Schule, so gehört es sich in der Biographie, sei sie in Handarbeitskursen am besten gewesen. Heute gibt es dafür kaum persönlichen Austausch mit den StudentInnen der Modeklasse der HfK – die sie nie besucht hat. Zwar sieht man sich regelmäßig zu Modenschauen, begutachtet kritisch die Arbeit der anderen, mehr allerdings nicht. Immerhin sei Bremen eine „Sprungbrett-Stadt“. Ihr persönlicher „Resonanz-Tester“ für die Kollektion war eine Schau 1992 in der Atelierhof-Galerie: Schmuck, Skulpturen und Mode. Mit vielversprechendem Ergebnis. Viel Lob hat Karen Lukas schon bekommen für ihre klassisch-reduzierten Schnitte und Farben. Bloß Kritik vermißt sie in Bremen. Das sei eben in Hamburg anders, wo sie bereits mit einem Bein stehe. Da hat man auch schon mal „mit dem Finger auf mich gezeigt“: Aha, die hat das gemacht!

Allein vom Verkauf ihrer maßgeschneiderten Entwürfe, auf die ihr „kleiner Fanclub“ zwei bis vier Wochen warten muß, kann sie nicht leben. Daß sie trotzdem nicht Bankkauffrau geworden ist, ist ihrer Sturheit zu verdanken: „Das wäre für mich wie Fremdgehen.“ Damit Karen Lukas weiterhin ihrer Profession die Treue halten konnte, hatte sie beim Wirtschaftssenator um 40.000 Mark Designförderung nachgefragt. Vor über einem Jahr. Ein corporate design sollte Karen Lukas' Kollektionen ein einheitliches Erscheinungsbild geben. Das Bremer Designzentrum hatte ein wohlwollendes Gutachten beigesteuert, und an Praxis und Stehvermögen mangelt es Karen Lukas auch nicht. Bloß in der Behörde sei man an einem persönlichen Gespräch nicht sonderlich interessiert.

Was die Zukunft bringt, ist deshalb auch noch nicht geklärt. Die Zukunft hieß mal Italien, aber da sind jetzt viele Sachzwänge vor. Karen Lukas wird wohl wieder dem Zufall vertrauen. „Vielleicht werde ich Fernsehansagerin oder Clown“. Was auch immer: das Schneidern, das will sie nicht aufgeben.

Alexander Musik

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