Schleswig-Holsteins SPD-Chef Stegner: "Wir sind nicht die SED"
Ralf Stegner über den Umgang mit dem zurückgetretenen Parteichef Kurt Beck und den Wunsch nach einem Ende der Flügelkämpfe: "Schluss mit dem Schwarzweiss".
taz: Herr Stegner, sind Sie noch gerne in der SPD?
RALF STEGNER, 48, sitzt im SPD-Präsidium. Der frühere Kieler Innenminister ist Partei- und Fraktionschef der SPD Schleswig-Holstein. Am Samstag wird er zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2010 gekürt.
Ralf Stegner: Was ist das für ne Frage? Ich kann mir keine andere Partei vorstellen. Ich bin in der SPD zu Hause.
Kein sehr kuscheliges Heim, in dem man den Vorsitzenden wegmobbt.
Die SPD besteht aus vielen Menschen, und ich bin ganz und gar nicht einverstanden damit, wie einige mit Kurt Beck umgegangen sind. Aber von den Inhalten und Werten der 145 Jahre alten SPD her sind wir andern meilenweit voraus.
Warum haben Sie Münteferings Nominierung nicht gleich mitgetragen?
Kurt Beck hat viel geleistet. Er hat die Austrittswelle gestoppt, er hat uns wieder an die Gewerkschaften herangeführt - all das, was hinter Häme und Spott völlig verschwunden ist. Dann tritt er zurück, und da kann ich mich nicht schütteln und binnen Stundenfrist sagen: Nehmen wir den nächsten. So ein Mensch bin ich nicht!
Obwohl das in der SPD zur Gewohnheit wird?
In den letzten Jahren war das in der Tat nicht sehr ruhmreich. Man wünschte sich, dass solche Dinge wie jetzt nicht wieder vorkommen. Aber die SPD hatte mit Willy Brandt auch einen Vorsitzenden, der über sehr lange Zeit Kontinuität garantierte.
Wie lange soll Müntefering Vorsitzender sein?
Franz Müntefering braucht jetzt unser Vertrauen. Es wäre ziemlich daneben, über die Dauer seiner Amtszeit zu reden.
Sie zählen zu den Linken im SPD-Präsidium. Ist die Zuordnung richtig?
Ja und nein. Was die Grundwerte und meine Auffassungen über Bildung, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik angeht, gehöre ich eindeutig zum linken Parteiflügel. Aber ich war zwölf Jahre in Regierungsämtern in Schleswig-Holstein, das macht einen auch pragmatisch.
Sind Sie denn ein Verfechter von Schröders Reformagenda?
Die Sozialreformen von Rot-Grün waren grundsätzlich richtig. Es gibt natürlich Unwuchten dabei - auch weil es nicht SPD pur war, sondern die Union über den Bundesrat mitgeredet hat. Unter Kurt Beck hat die SPD beschlossen, was daran zu ändern ist und was nicht. Daran müssen sich alle in der SPD halten, selbst wenn ihnen nicht alles passt.
Darüber hinaus darf nichts mehr geändert werden?
Wir tun gut daran, ohne Kampfgebrüll an der Weiterentwicklung der Agenda mitzuwirken. Nehmen Sie die Rente mit 67: Wir müssen länger arbeiten, das ist wahr. Aber: Wir müssen auch Übergänge schaffen für Menschen, die hart körperlich gearbeitet haben und nicht mehr können. Wir brauchen auch Arbeitsmarktchancen für Ältere und fairen Lohn für gute Arbeit. Dafür haben wir eine Arbeitsgruppe eingerichtet und das ist der richtige Weg. Die SPD muss endlich aufhören mit diesem Schwarzweiß nach dem Motto: Die Reformen sind klasse oder Mist. So kommen wir einfach nicht weiter.
Nach Becks Rücktritt haben viele von Unterhaken und Teamleistung gesprochen. Warum trugen dann im Parteivorstand doch wieder sechs Leute Münteferings Nominierung nicht mit?
Wir sind nicht die SED. Die SPD ist eine lebendige Partei.
Was sollen die SPD-Linken denn sein: brav in Arbeitsgruppen sitzen oder lebendig sein und aufmucken?
Wir müssen dafür streiten, dass die Weichenstellungen so bleiben, wie Kurt Beck sie befördert hat. Eine Mannschaft spielt nur erfolgreich, wenn es einen funktionierenden linken Flügel gibt, einen rechten und ein Mittelfeld - so sagt das Franz Müntefering. Aber der linke Flügel sollte nicht den rechten angreifen und umgekehrt, sondern beide müssen gemeinsam die Verteidigung der anderen Mannschaft austricksen und Tore machen.
In den letzten Wochen hat die SPD das nicht so oft geschafft.
Nein, wir haben zu viel aufs eigene Tor geschossen.
Die Juso-Chefin verlangt, dass Müntefering noch einen Linken in den inneren Führungskreis aufnimmt.
Wenn die Jusos so was nicht mehr verlangen, würde ich mir Sorgen machen. Aber meiner Verantwortung als Präsidiumsmitglied entspräche es nicht, öffentlich neue Personalkämpfe zu beginnen. INTERVIEW: GEORG LÖWISCH
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