Schleswig-Holsteins Bankenkrise: Carstensens Nordbank-Problem
Das Nordbank-Missmanagement setzt Schleswig-Holsteins Landesregierung unter Druck. CDU-Politiker Sauter hat an wichtige Sitzungen "keine konkrete Erinnerung".
BERLIN taz Vor sechs Jahren galt sie noch als die Vorzeigelandesbank: Gerade hatten die Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg ihre Finanzinstitute zur HSH Nordbank vereinigt, da schien der Weg zum international aufgestellten Finanzinstitut frei.
Heute wird die HSH Nordbank zum Problemfall für den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU). Erst im Februar hatte Carstensen zusammen mit seinem Hamburger Kollegen Ole von Beust (CDU) Finanzspritzen von 3 Milliarden Euro und Bürgschaften von weiteren 10 Milliarden Euro beschlossen. Das Land sei damit "quasi bankrott", sagte der Landesvorsitzende der Jungen Union, Rasmus Vöge. Auch im Fall der 2,9-Millionen-Euro-Bonuszahlung für HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher gerät Carstensen nun unter Druck.
Die Vorgänge sind gerade in letzterem Fall dubios. Denn Carstensen schrieb an den Parlamentspräsidenten Martin Kayenburg (CDU), die Bonuszahlung sei mit Einverständnis der SPD-Spitze geschehen. Eine Lüge, wie Carstensen nun zugegeben hat.
Tatsächlich hatte der Präsidialausschuss, in dem auch Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) sitzt, ohne die SPD zu informieren, bereits im November 2008 die Zahlungen an Nonnenmacher beschlossen; der finanzpolitische Sprecher der CDU, Frank Sauter, bestätigte dies. Bis zur Änderung des Gesetzes zu Managervergütungen vor wenigen Wochen war eine solcher Beschluss ohne Rücksprache mit dem Aufsichtsrat möglich.
Finanzminister Wiegard informierte jedoch erst Monate später, am 23. Juni 2009, durch ein Telefonat Innenminister Lothar Hay (SPD), in dem er ihn von der Entscheidung zu den Bonuszahlungen in Kenntnis setzte.
Wiegard bestätigte in einer E-Mail die "einvernehmlich beschlossene" Zahlung, sagt Neugebauer. Dass Hay nicht widersprach, sei jedoch aus Sicht der SPD "ein Fehler" gewesen.
Neugebauer beklagt, dass Wiegard trotzdem eine Woche später bei der Runde der finanzpolitischen Sprecher auf seine Nachfrage noch behauptete , es sei keine Entscheidung gefallen.
Der CDU-Mann Sauter, ebenfalls bei dem Treffen anwesend, zeigt heute auf Nachfrage der taz bemerkenswerte Wissenslücken: An die Frage Neugebauers und auch die Antwort Wiegards habe er "keine konkrete Erinnerung." Erst am Abend des 30. Juni wurde die Fraktionsspitze der SPD schließlich informiert.
Zu seiner Lüge sagte Ministerpräsident Carstensen, er sei über die Formulierung des eigenen Briefes "etwas flott hinweggegangen".
Bereits im Frühjahr war Carstensens Regierung für das Management im Fall der taumelnden HSH Nordbank unter Beschuss geraten. Hätte der Aufsichtsrat, in dem auch Finanzminister Wiegard sitzt, rechtzeitig Kontrollinstrumente eingesetzt, wären die Milliardenzahlungen nicht nötig gewesen, kritisiert Bankenexperte Richard Stehle von der Berliner Humboldt-Uni. "Die Länder müssen nun bezahlen für die schlechte Aufsicht, die vorher geleistet wurde."
Mit den Zahlungen und Bürgschaften hat sich das Land Schleswig-Holstein offenbar in ein hohes finanzielles Risiko begeben. Der ehemalige Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) befürchtete in der SZ, Ende des Jahres würden weitere Finanzspritzen für die Nordbank nötig werden und "beklemmende Einzelheiten über das Missmanagement ans Licht kommen". Nach Ansicht des Bankenexperten Stehle kann es "bei den meisten deutschen Banken durchaus zu weiteren Engpässen kommen". Ein Institut sei durch riskante Kreditgeschäfte jedoch besonders schlecht aufgestellt: "Die HSH Nordbank zählt zu den Banken, die am meisten in der Bredouille sitzen."
GORDON REPINSKI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut