piwik no script img

Schleswig-Holstein taz.meinland zieht es an die KüstenEine Ode an den Norden

von Malaika Rivuzumwami, Laila Oudray und David Joram

Regen, Nebel, grauer Himmel. So oder ähnlich beschreiben viele den Norden Deutschlands. Schleswig-Holstein ist oftmals das vergessene Bundesland der Republik. Selten kommt es zur Sprache, steht nicht im Fokus. Die Frage ist nur: Warum? Sind die weiten Felder, die Reetdachhäuser, die Dünen, das Herbe und Raue nicht Gründe, den Norden auch einfach zu lieben?

Am Montag packen wir unseren Bus, werden Station in Husum, Flensburg und Dersau machen, uns den Wind um die Nase wehen lassen und hören, was den Norden beschäftigt.

Den Geschmack von Salz auf der Haut, der endlose Blick über Ebbe und Flut, im Rücken die Schafe. Eine Momentaufnahme an der Husumer Küste. Die Deiche sind das Tor zum Wattenmeer, ein Wahrzeichen der Stadt. Ein Fleck unberührter Natur, auf den die Anwohner*innen stolz sind. Seit einigen Jahren birgt die Küste jedoch Probleme: In Husum spaltet der Deichabschnitt Dockkoog die Gemüter, sorgt für Streit zwischen Politik und Anwohnern*innen. Denn bei der Frage, wie die Zukunft des Deiches aussehen soll, ist sich niemand einig. Verschiedene Vorschläge stehen im Raum, die Anwohner*innen engagieren sich, doch einander zuhören tun sie schon lange nicht mehr. Aber ohne Kommunikation wird der Deich die Stadt spalten. Also Butter bei die Fische: wir setzen uns zusammen an einen Tisch und streiten für eine friedliche Brise in Husum.

Unsere Reise führt uns nun weg von der Nordsee, über Land zurück zum Wasser an die Flensburger Förde. Flensburg ist die drittgrößte Stadt des Landes, bekannt für Handball, Autofahrer-Strafpunkte – und Beate Uhse. Doch Flensburg, bekannt auch als Flensborg, Flensborj, Flensborag oder Flensborre, bietet noch weitaus mehr: zwei Hochschulen etwa und Bewohner*innen aus 120 verschieden Nationen. Die Stadt vertritt eine konstruktive Flüchtlingspolitik und steht für Integration. Rechtspopulist*innen haben es hier schwerer als andernorts, mit dumpfen Parolen zu punkten. Und doch blicken die Demokrat*innen in der Stadt sorgenvoll in die Zukunft. Im Nachbarland Dänemark fällt die Mitte-rechts-Regierung immer stärker durch nationalistische Töne auf – und von Flüchtlingshilfe wollten die Däne*innen schon 2015 nichts wissen; sie installierten Grenzkontrollen.

Vor einer Woche gab es Wirbel um die rechtspopulistische Dänische Volkspartei: sie verlangte die Grenze zu Deutschland neu ziehen. Schleswig solle komplett dänisch werden. Was steckt hinter der verschärften Rhetorik, was bedeutet sie für das Verhältnis zwischen Dänen und Deutschen – und wie wirkt sich dies auf die Grenzregion Flensburg aus?

Es zieht uns weiter landeinwärts, dem Wasser bleiben wir aber treu. Unser nächster Halt: der Plöner See. Dersau ist der Ort der guten alten Zeit. Das kleine Dorf am See erzählt von unzähligen Familienurlauben, von Res­taurants, die sich vor Gästen nicht retten können, und von ausgebuchten Hotels.

Dersau kann sich immer noch über eine schöne Umgebung freuen, doch die Tourist*innen kommen nicht mehr. Restaurants schließen, genau wie Supermärkte, die Infrastruktur ist unterentwickelt und die Bevölkerung überaltert. Menschen ziehen weg, doch die, die bleiben, engagieren sich: Es wurde eine Sitzbank aufgestellt, auf der sich Bürger*innen niederlassen können, wenn sie eine Mitfahrgelegenheit zum Supermarkt suchen. Es geschehen keine Wunder, aber die drängendsten Probleme werden zumindest abgemildert. So versucht sich die Gemeinschaft ihr Leben im Dorf zu ermöglichen, um weitere schöne Erinnerungen zu erhalten.

Interessant wird es sicher im Norden. Nicht vergessen sollte man nämlich auch, dass Brokdorf – das Epizentrum des grünalternativen Aufstiegs – mit seiner Anti-AKW-Bewegung der 80er Jahre in Schleswig-Holstein liegt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen