: Schlegelberger tritt ab
Berliner Rot-Kreuz-Präsident muß wegen seiner Tätigkeit als NS-Marinerichter Amt aufgeben ■ Aus Berlin Christoph Dowe
Hartwig Schlegelberger, Präsident des Berliner Roten Kreuzes, ist am Donnerstag abend zurückgetreten. Dem 81jährigen ehemaligen Marinestabsrichter war vorgeworfen worden, sich während des Zweiten Weltkrieges als Richter und Ankläger an zum Teil drakonischen Strafen gegen „Wehrkraftzersetzer“ und „Fahnenflüchtige“ beteiligt zu haben.
Am Donnerstag abend vor der Berliner Landesversammlung des DRK erklärte Schlegelberger allerdings nur: „Gesundheit und Alter lassen mir keine andere Wahl, als einen Nachfolger zu suchen.“ Ursprünglich habe er ohnehin nur zwei Jahre in Berlin arbeiten wollen. Auf Presseartikel der letzten Wochen, in denen von immer neuen Aktenfunden aus der Kriegszeit berichtet wurde, gingen weder Schlegelberger noch die Delegierten ein. Diese verabschiedeten sich von Schlegelberger, der zum 31. Mai sein Amt niederlegen wird, mit Standing ovations.
Damit trifft den ehemaligen Finanz- und Innenminister Schleswig-Holsteins das gleiche Schicksal wie den ehemaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Hans Karl Filbinger. „Der furchtbare Jurist“ war ebenfalls Marinerichter und räumte 1978 sein Amt.
Schlegelberger hatte in der Zeit zwischen 1943 und 1945 als Marinerichter am Kriegsgericht in Berlin gearbeitet. In acht dokumentierten Fällen beteiligte sich Schlegelberger an der Verurteilung zu Zuchthaus- und Gefängnisstrafen. Auch zwei Hinrichtungen hat Schlegelberger im Zuchthaus Brandenburg-Görden zugegebenermaßen geleitet. Ein Historiker der Gedenkstätte des Zuchthauses äußerte letzte Woche die Vermutung, Schlegelberger sei für weitere 14 Hinrichtungen verantwortlich. Inzwischen stellte sich aber heraus, daß der Rot-Kreuz-Präsident nicht an den weiteren Hinrichtungen beteilig war. Kürzlich wurde auch bekannt, daß Schlegelberger dreimal versuchte, in die NSDAP einzutreten.
Zweimal ermittelte die Staatsanwaltschaft Kiel wegen der Vorwürfe gegen Hartwig Schlegelberger. Bereits 1963 – Schlegelbergers Ernennung zum Innenminister stand kurz bevor – ermittelte der Oberstaatsanwalt Ernst Thamm. Thamm war selber Kriegsrichter. Anklage wurde nicht erhoben. 1989 wurde erneut ermittelt. Der diesmal leitende Staatsanwalt hatte jahrelang in Thamms Abteilung gearbeitet. Zur Anklageerhebung kam es wiederum nicht.
Schlegelberger ist Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes. Von 1961 bis 1963 war er Finanzminister, bis 1971 Innenminister in Schleswig-Holstein. Danach wurde er Vorstandsvorsitzender der Landesbank und Girozentrale Schleswig-Holstein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen