Schlammkatastrophe in Brasilien: Die Flut trifft vor allem die Armen

500 Menschen sind nach den sintflutartigen Regenfällen gestorben. Die Schlammlawinen haben ganze Siedlungen weggerissen. Kritisiert wird vor allem die mangelnde Vorsorge.

Die Stadt Teresopolis wurde von mehreren Schlammlawinen getroffen. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz | Brasilien erlebt gegenwärtig eine seiner schlimmsten Naturkatastrophen. Nach sintflutartigen Regenfällen sind in den letzten Tagen vor allem in der bergigen Region Serrana im Bundesstaat Rio de Janeiro über 500 Menschen ums Leben gekommen, tausende Menschen sind obdachlos. Die örtlichen Behörden haben den Notstand ausgerufen und rechnen mit weiteren Todesopfern.

Die meisten Menschen wurden das Opfer von Erdrutschen an den Berghängen der Städte. Die Wassermassen hatten Talsohlen, Landstraßen und die Straßen der Städte zeitweise in reißende Flüsse verwandelt. In den Fluten der über die Ufer getretenen Flüsse sind zahlreiche Menschen ertrunken.

Besonders betroffen sind die Städte Nova Friburgo, Teresópolis und Petrópolis. In der bergigen Gegend von Nova Friburgo, rund 130 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro, stieg die Zahl der Todesopfer auf 225 Menschen. Aus Teresópolis wurden bisher 223 Tote gemeldet, aus Petrópolis 39.

Noch immer werden zahlreiche Menschen vermisst. Vielerorts ist die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, Telefonleitungen sind gerissen. "Nachdem es zuvor tagelang geregnet hatte, kam es von Dienstag auf Mittwoch zu einem außergewöhnlichen Niederschlag. In nur acht Stunden kam eine Wassermenge vom Himmel herunter, die sich sonst über den ganzen Monat verteilt", so Paulo Canedo vom Hydrologischen Institut der Bundesuniversität Rio de Janeiro. Das setzte die Schlamm- und Gerölllawinen in Bewegung, die auf ihrem Weg in die Täler alles mit sich rissen, so Canedo.

Staatspräsidentin Dilma Rousseff hatte am Donnerstag das Katastrophengebiet überflogen. Anschließend versprach sie umgehend 350 Millionen Dollar Hilfsgelder. Jedoch musste die Präsidentin eingestehen, dass "in Brasilien Familien mit niedrigem Einkommen, die an den Ufern der Flüsse oder auf den Hängen der Hügel siedeln, bislang absolut vernachlässigt wurden". Zu ihrer Verteidigung fügte sie an, unter ihrem Vorgänger Lula seien die Mittel für die Überschwemmungsvorsorge immerhin nicht gekürzt worden. Sie kündigte "strenge Aktionen der Regierung" an.

Das Ausmaß der Katastrophe ist nicht nur durch heftige Regenfälle verursacht, es ist auch eine Folge der unkontrollierten Ansiedlungen und des nicht genehmigten Häuserbaus. "Was hier passiert ist, ist eine Kombination aus Naturkatastrophe und vergangenen Unverantwortlichkeiten verschiedener Bürgermeister. Einige von ihnen haben das Bauen an den Hängen erst so richtig stimuliert", kritisiert Carlos Minc, der Umweltstaatssekretär des Bundesstaates Rio de Janeiro.

Die Serrana-Region ist auch eine beliebte Wochenend- und Urlaubsgegend. Die Bilder zeigen denn auch, dass die Schlammlawinen diesmal nicht wie sonst nur die Armen in den Favelas mit sich gerissen haben, sondern auch vor wohlhabenderen Vierteln in den Hanglagen der Hügeln nicht haltmachten. Das lässt immerhin die Hoffnung zu, dass die Katastrophe tatsächlich zu Konsequenzen führt.

Das sieht auch der Krisenexperte Moacyr Duarte von der Bundesuniversität Rio de Janeiro so. "In den letzen 50 Jahren hat sich hier in Sachen Vorbeugemaßnahmen gar nichts getan", so Duarte. Strenge Baugenehmigungen oder Umweltverträglichkeitsprüfungen gibt es nicht. Jedoch schließt er den Bundesstaat in seine Kritik mit ein. "Was fehlt, ist ein couragierte Regierung, die in die Prävention investiert und nicht in die Rettung danach."

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