Schlag gegen Al-Qaida in Mali: Die falsche Strategie
Malis Regierung ist verstimmt: Sie war über die französisch-mauretanische Militäraktion nicht informiert. Im Gegensatz zu Mauretanien setzt man dort auf Versöhnung.
BERLIN taz | Die gescheiterte mauretanisch-französische Kommandoaktion gegen "Al-Qaida im islamischen Maghreb" (AQMI) in Mali führt zu Verstimmungen in der Region. Malis Regierung kritisiert, sie sei über den am Donnerstag im Morgengrauen begonnenen Angriff nicht informiert gewesen. Präsident Amadou Toumani Touré habe davon erst im Laufe des Tages erfahren und habe einen Besuch in Tschad abgebrochen, berichten Malis Zeitungen. "Kein Land kann allein mit AQMI fertigwerden", erklärte der Präsident nach seiner Heimkehr.
Die nach französischen Angaben von 20 bis zu 30 Spezialkräften sowie französischer Logistik, vermutlich zum Lufttransport, unterstützte Kommandoaktion aus Mauretanien richtete sich nach malischen Angaben gegen AQMI-Basen in den Höhlen von Teghargharet in den Bergen von Tessalit, mitten in der Sahara-Wüste. Die rund 300 AQMI-Kämpfer Südalgeriens, Mauretaniens, Malis und Nigers, geführt von ehemaligen islamistischen Rebellenführern aus Algerien, ziehen sich gerne in dieses als uneinnehmbar geltende Bergmassiv zurück.
Bei Tessalit befindet sich eine Flugpiste, bis 1961 war dort eine französische Militärbasis. Während Frankreichs Regierung die Aktion am Samstag als versuchte Befreiung der AQMI-Geisel Michel Germaneau darstellte, erklärte Mauretaniens Regierung am Freitag, man sei einem AQMI-Angriff auf die ostmauretanische Militärbasis Bassiknou zuvorgekommen. Bassiknou liegt allerdings so weit von Tessalit und allen anderen AQMI-Operationsgebieten entfernt, dass mauretanische Zeitungen mutmaßen, es handele sich um zwei getrennte Interventionen. Die Regierung in Madrid, die um zwei spanische AQMI-Geiseln bangt, wurde nach Presseberichten erst kurz vor dem Angriff davon informiert.
Mauretanien und Mali streiten sich schon lange um den korrekten Umgang mit bewaffneten Islamisten. Mauretanien setzt auf die harte Linie: Erst am Mittwoch verurteilte ein mauretanisches Gericht einen Islamisten aus Mali, der für die Entführung dreier spanischer Touristen in Mauretanien im November 2009 verantwortlich gemacht wurde, zu 12 Jahren Haft. Mali hingegen fährt einen konzilianten Kurs: Im Februar übergab Malis Regierung vier inhaftierte Islamisten an AQMI im Austausch für den entführten Franzosen Pierre Camatte. Mauretanien zog daraufhin seinen Botschafter aus Mali zurück. Die mauretanische Strategie hat nun im Falle Germaneau nicht zum Erfolg geführt; so sieht sich nun Mali bestätigt.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gegen die regional agierenden Islamisten dürfte unter dem neuen Streit leiden. Erst am 21. April hatten Algerien, Mali, Mauretanien und Niger im südalgerischen Tamanrasset ein gemeinsames Militärkommando eingeweiht. Auch das US-Afrikakommando "Africom" will Zugriff auf die militärischen Einrichtungen in Tamanrasset bekommen - und möglicherweise auch auf die von Tessalit in Mali und Bassiknou in Mauretanien.
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