■ Mit Aufsichträten auf du und du: Schlafmützige Jasager
Frankfurt (taz) – Deutschlands Wirtschaftskapitäne müssen um ihren guten Ruf fürchten. Keinen Steinwurf vom stolzen Glaspalast der Deutschen Bank entfernt, haben bluffende Vorständler und leichtgläubige Aufsichtsräte die Metallgesellschaft im Alleingang an den Rand des Ruins manövriert.
Allzu leicht gelang es dem Blender Heinz Schimmelbusch, den Banken Milliarden zu entlocken, um sein MG-Reich zu vervierfachen. Die Aufsichtsräte, immerhin mit Deutscher und Dresdner Bank, Allianz und Daimler vom Top-Establishment der deutschen Wirtschaft besetzt, nickten stets brav. Geblendet von den Größe und Macht versprechenden Schaubildern, segneten die Konrolleure Jahr für Jahr die operativen Geschäfte (1992/93: minus 1,8 Mrd. DM) der MG- Schauspielertruppe ab, die zum Großteil aus effektvollem Hin- und Hergeschiebe im eigenen Firmendschungel bestanden. Auch von den riesigen Schuldenbergen (9 Mrd. DM) und halsbrecherischen Ölterminspekulationen (Verlust: bis zu 2,3 Mrd. DM) wollen die Aufseher nichts geahnt haben.
Wirklich? „Der Vorstand hat uns regelmäßig über Geschäftsverlauf und Lage des Unternehmens sowie über alle bedeutsamen Geschäftsfälle unterrichtet“, schrieb das Kontrollgremium im letzten Geschäftsbericht. Doch es kam noch besser: Mitte Dezember wurde Schimmelbuschs Vertrag um fünf Jahre verlängert – um ihn dann vor Weihnachten plötzlich in die Wüste zu schicken.
Die MG-Tragödie zeigt, daß die Selbstkontrolle der deutschen Wirtschaft nicht mehr richtig funktioniert. Die Aufsichtsräte klopfen den Monopoly spielenden Vorständen oft zu spät auf die Finger. Beispiele gibt es genügend: Die Gewerkschaftsfürsten der Neuen Heimat konnten schalten und walten, wie sie wollten, bis der Laden pleite war. Den Ex-Lufthansa-Chefpiloten Heinz Ruhnau ließen dessen Aufseher neue Flugzeuge ordern und Linien eröffnen, bis die Airline fast abschmierte. Bei FAG Kugelfischer goutierten die Konrolleure einen verlustreichen Expansionskurs in Neufünfland; bei VW sahen sie tatenlos zu, wie Carl Hahn den größten Autobauer Europas zum Sanierungsfall machte. Zur Belohnung rückte Hahn anschließend in den Aufsichtsrat auf. Der Großaktionär Dresdner Bank hielt auch nach der Unfallserie an Hoechst-Chef Wolfgang Hilger fest, weil selbiger im Aufsichtsrat der Bank sitzt.
Viele Firmenaufseher sind ihren Aufgaben nicht gewachsen. Besondere Anforderungen und Qualifikationen verlangt das Aktiengesetz ohnehin nicht. Und da Großaktionäre und Banken bestimmen, wer auf die hochdotierten wie angesehenen Posten gehievt wird, bleibt der Kreis der Erlauchten fast immer derselbe: Bankiers, Industrielle, ab und an ein Minister im Ruhestand. Einige der Aufseher bringen es leicht auf 20 und mehr Mandate – wer will da noch richtig prüfen? Erwin Single
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