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Archiv-Artikel

Schlaf fördert die Gedächtnisleistungen

Schlaf ist nicht gleich Schlaf. In den beiden Schlafphasen sind unterschiedliche Hirnareale aktiv. Auch das Immunsystem profitiert vom Schlaf

Delphine können sich Schlaf nur halbherzig leisten. Beim Tauchgang durch die Meere versinkt eine Gehirnhälfte in Tiefschlaf, während die andere aktiv bleibt und den Meeressäuger mit Informationen versorgt. Der Mensch dagegen versinkt beim Schlaf in Bewusstlosigkeit. Während dieser Zeit verharrt der Schläfer in einem überwiegend passiven Zustand, der nach landläufiger Auffassung lediglich der Erholung dient. Halt, sagen die Schlafforscher um Jan Born vom Institut für Neuroendokrinologie der Universität Lübeck, das stimmt so nicht. „Der Zustand der Bewusstlosigkeit hat einen fördernden Einfluss auf das Gedächtnis.“

Im Experiment stellten die Wissenschaftler Probanden vor Aufgaben, die teilweise nach versteckten Regeln zu lösen waren. Die Probanden, die ausgiebig schlafen durften, konnten das Problem am nächsten Morgen besser lösen als die Teilnehmer mit Schlafentzug. „Schlaf hilft, Gedächtnisinhalte zu reorganisieren“, erklärt Born.

Die Forscher vermuten, dass die Gedächtnisinhalte im wachen Zustand zweigleisig in der Großhirnrinde und vor allem im Hippocampus als einer Art Zwischenspeicher abgelegt werden. Von dieser Region im Mittelhirn wird die zunächst labile Erinnerungsspur im Schlaf aktiviert und in die Großhirnrinde transportiert. Das geschieht nach Meinung der Schlafexperten vor allem während des Tiefschlafs in der ersten Hälfte der Nacht.

Dass Schlaf nicht gleich Schlaf ist, wissen die Forscher schon länger. Zu Schlafbeginn dominiert der so genannte tiefe Deltaschlaf. In der zweiten Hälfte der Nacht überwiegt der REM-, der „Rapid Eye Movement“-Schlaf. Die Schlafphase zeichnet sich durch schnelle Augenbewegungen aus. Die Menschen träumen.

Die Schlafforscher haben nun entdeckt, dass sich die beiden Schlafstadien unterschiedlich auf die Gedächtnisbildung auswirken. „Das prozedurale Gedächtnis für Fertigkeiten wie Ski- oder Radfahren profitiert vom REM-Schlaf“, so Born. Im Tiefschlaf verfestigt sich dagegen das so genannte deklarative Gedächtnis, das einzelne Ereignisse, Gesichter von Personen oder Faktenwissen festhält. Sind diese einmal im Langzeitgedächtnis angekommen, sind sie jederzeit wieder abrufbar. Weitere Versuche, die Born auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin in Freiburg präsentierte, zeigen, dass Lerninhalte, die vor dem Tiefschlaf aufgenommen werden, wesentlich effektiver im Gedächtnis haften bleiben, als wenn sie vor dem REM-Schlaf gelernt werden. Die Schlafforscher gehen davon aus, dass Schlafen darüber hinaus wichtig für das Immunsystem ist. Die spezifische Antwort der Immunzellen werde durch Schlaf und Gedächtnisbildung gestärkt, vermutet Born.

Bestätigt sieht sich der Wissenschaftler durch Studien zu Impfungen gegen den Hepatitis-A- Erreger. Die Gruppe, die nach der Impfung schlafen durfte, wies eine doppelt so hohe Antikörperkonzentration auf wie die schlaflose Gruppe. „Es scheint so zu sein, dass der Körper im Schlaf ein Gedächtnis auch für Krankheitserreger ausbilden kann“, so Born. EVA OPITZ