: Schlägt Israel allein gegen den Irak los?
Tel Aviv (taz) — Israels Ministerpräsident Jizchak Schamir will bei seinen Geprächen mit dem britischen Premier John Major und der US-Regierung „einige neue Ideen“ zur Beendigung des arabisch-israelischen Konflikts darlegen. Außerdem hofft Schamir auf Milliardenkredite aus den USA für die Integration Hunderttausender jüdischer Einwanderer aus der Sowjetunion. Dies sagte Schamir vor seinem Abflug, bevor er gestern nachmittag in London eintraf. Gleichzeitig zeichnet sich eine härtere und eigenständigere Gangart der israelischen Regierung im Golf- Konflikt ab. Sie warnen die Bush- Administration und die westeuropäischen Regierungen vor einer Kompromißlösung mit Irak, die Saddam Hussein und seine Kriegsmaschinerie unversehrt ließe. In einer Note, die Israels Außenminister David Levi vorgestern dem amerikanischen Botschafter in Israel, William Brown, überreichte, heißt es, Israel erwarte von Washington, daß es die Bedrohung durch das irakische Heer aus der Welt schaffe. Die israelische Seite erinnerte die US-Administration daran, daß ein solches Versprechen Israel zu Beginn der Golf-Krise dazu gebracht hatte, sich zu der von Washington gewünschten „low profile“-Politik, also zur Zurückhaltung, zu bekennen.
Dies ist als Warnung Israels zu deuten, daß militärisch-politische Konzessionen an Saddam Hussein notwendig ein Abrücken von der „low profile“-Politik zur Folge haben. Damit hat die Schamir-Regierung auf die Ankündigung von Außenminister James Baker reagiert, daß er nach Bagdad reisen werde und Iraks Außenminister nach Washington eingeladen wurde. Gleichzeitig wurden im US-Kongreß Stimmen laut, die von James Baker Schritte zur Beruhigung Israels verlangen angesichts der Bestürzung, die Bushs diplomatische Initiative in Jerusalem ausgelöst hat.
Daß in Israel ein militärischer Alleingang im Golf-Konflikt zumindest erwogen wird, davon zeugen auch Äußerungen Schamirs vor seiner Abreise: „Wir haben die USA nie gebeten, uns zu verteidigen, denn dazu sind wir selbst fähig. Allerdings wünschen wir die notwendigen Mittel, dies zu tun.“ In die gleiche Richtung weist die Erklärung Außenminister Levis vor einer Delegation des Europaparlaments, Israel gedenke mit einer „high profile“-Politik zu reagieren, wenn es sein Existenz bedroht sehe.
Der politische Berichterstatter der israelischen Zeitung 'Haaretz‘ kommentiert, daß die Äußerungen Schamirs und Levis eine neue Qualität israelischer Politik darstellten. Israelische Regierungsbeamte bezeichneten unterdessen den Bericht von 'Haaretz‘, der über Levis Vorstoß berichtet hatte, als „zu weitgehend“. Amos Wollin
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