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Schläfriger Showdown in Teheran

Irans Parlamentswahlen beginnen gänzlich undramatisch. Für viele Wählerinnen sind sie kein Konflikt zwischen Technokraten und Konservativen, sondern ein Hadern mit dem eigenen Gedächtnis  ■ Aus Teheran Thomas Dreger

Eine der ersten Stimmen landete in Urne 121. Verschmitzt lächelnd steckte Ali Akbar Haschemi Rafsandschani gestern morgen seinen Wahlzettel in den Schlitz. „Die Parlamentswahlen zeigen, daß in diesem Land Demokratie und Freiheit herrschen“, sagte Irans Staatspräsident. In einer Halle auf dem Gelände des Hauses von Ajatollah Chomeini, in dem noch die Sandalen des seligen Revolutionsführers zu besichtigen sind, erklärte er, trotz „amerikanischen und israelischen Drucks“ werde eine hohe Wahlbeteiligung zeigen, daß die IranerInnen unerschütterlich zur Islamischen Republik stünden.

Doch in Jamaran, dem vornehmen Stadtteil, in dem Rafsandschani seine Stimme abgab, herrschte um diese Zeit noch allgemeine Schläfrigkeit. Die BewohnerInnen des reichen Teheraner Nordens zogen es vor auszuschlafen – Freitag ist im Iran Feiertag.

Vor einem Wahllokal am Eingang eines Krankenhauses standen sich bis zum Mittag Wahlhelfer untätig die Füße platt. Sorgfältig registrierten sie die wenigen WählerInnen, drückten Stempel in ihre Pässe und nahmen Fingerabdrücke, die ebenfalls in die Pässe kamen. „Wählen ist meine Pflicht als Bürger der Islamischen Republik“, meinte ein etwa 50jähriger Ladenbesitzer. Mit der Auswahl der KandidatInnen hatte er jedoch Schwierigkeiten. Um die 30 für Teheran reservierten Sitze in dem 270köpfigen Parlament bewarben sich 402 KandidatInnen. Ihre Namen waren auf Plakaten alphabetisch aufgelistet, ohne Hinweise auf politische Zugehörigkeit. An Tischen ohne Wahlkabinen nebeneinandersitzend, durften die WählerInnen in Teheran bis zu 30 Namen auf ihren Wahlzettel schreiben, „Nein, ich kenne keinen der Kandidaten“, räumte ein Wähler ein. Ihm hätten Freunde gesagt, „wer gut ist“. Auf jeden Fall werde er Faizeh Rafsandschani seine Stimme geben. Die 32jährige Managementstudentin und Tochter des Präsidenten war in der WählerInnengunst gestiegen, weil sie sich gegen das Verbot von Empfangsanlagen für Satellitenfernsehen ausgesprochen hatte.

„Ich muß wählen, ich arbeite im Ministerium“

Eine andere Wählerin wirkte weniger motiviert. „Ich muß wählen gehen“, sagte sie. „Ich arbeite in einem Ministerium.“ Druck habe es zwar nicht gegeben, aber niemand wisse, wozu der Stempel im Paß einmal gut sei. Ihre Stimmen würde sie nur „modernen“ KandidatInnen geben.

Etwa 30.000 Wahlurnen waren für die über 30 Millionen Wahlberechtigten im ganzen Iran aufgestellt worden, 3.000 davon in Teheran. Wegen der komplizierten Auszählung wird mit Ergebnissen aus der Hauptstadt erst für Montag gerechnet, aus der Provinz für Sonntag. Auch über die Wahlbeteiligung war noch nichts bekannt.

An einer in einer Basarmoschee aufgestellten Wahlurne herrschte schon am Vormittag Andrang. „Ich habe 14 Mullahs gewählt. Ich kenne sie alle persönlich“, erzählte ein Buchhändler stolz. Kein Wunder: Sein Laden, direkt neben der Moschee, hat ausschließlich religiöse Schriften im Angebot.

Mit politischen Vorlieben mochten die wenigsten ihre Wahlentscheidung begründen. Der vermutete Showdown zwischen den Technokraten der G-6 und der konservativen „Kämpferischen Geistlichkeit“ (nicht zu verwechseln mit den linksislamistischen „Kämpferischen Geistlichen“) fand im Bewußtsein vieler WählerInnen nicht statt. „Die meisten Leute wählen Kandidaten, die einen ähnlichen Beruf haben.“

Wer dennoch listenkonform wählen wollte, hatte Probleme. Weil viele sich die Namen „ihrer“ Kandidaten nicht merken konnten, hatten sie Wahlkampfanzeigen aus Zeitungen mitgebracht. Doch die wurden von den rund 185.000 im ganzen Land an den Urnen stehenden Polizisten und Militärs eingesammelt. Wäre es nach konservativen Mitgliedern der Staatsführung gegangen, hätte es diese Werbung gar nicht gegeben.

Zwei Tage vor der Wahl wurde die Zeitung Salam Opfer der Zensur. Angeblich, weil das Blatt die Überparteilichkeit von Irans religiösem Führer Ali Chamenei in Frage gestellt hatte, wurde es bis nach den Wahlen verboten. Beobachter vermuten dahinter eine Attacke gegen den Chefredakteur: Der gehört zu den „Kämpferischen Geistlichen“. Kandidaten der Linksislamisten waren vor den Wahlen weitgehend vom Wächterrat disqualifiziert worden.

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