: Schlachtet die Sparschweine!
Ende September ist Halbzeit für die Landesregierung. Die Frist läuft allmählich ab, jenen Nachweis finanzpolitischer Solidität zu führen, der Voraussetzung für die Wiederwahl ist. Nun müssen Grüne und Rote zeigen, wie sie 2.500 Millionen Euro einsparen. Bisher liegt gerade mal ein Drittel auf dem Tisch
von Johanna Henkel-Waidhofer
Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn“: Mal schlechter, mal besser passt Goethes „Faust“ fast immer, auf die bisherigen Sparbemühungen der Regierung Kretschmann besonders gut. Vom Chef selbst stammt der Merksatz: „Wir können nicht sparen, ohne dass es jemand wehtut.“ Mit den Taten allerdings geht es nur schleppend voran, weil Anspruch und Wirklichkeit sich zu oft im Wege stehen bei der Umsetzung von fünf dürren Seiten im Koalitionsvertrag. Sie gipfeln in der Ankündigung: „Mit einem ,Finanzplan 2020‘ werden wir eine für alle Ressorts verbindliche Orientierungsplanung einführen, um die strukturelle Nullverschuldung nachhaltig zu erreichen.“ Vor der Sommerpause legte Finanzminister Nils Schmid (SPD) das Opus vor. Insgeheim sehen die Koalitionäre darauf mit Bangen. „Jetzt muss jedes Ministerium zeigen“, erläutert einer der Verhandler, „wie es 1,5 Prozent aus seinem Haushalt herausholen wird.“
Eineinhalb Prozent. Was nach wenig klingt, wird aber Probleme zuhauf machen. Und, immer neu mit entfacht von der parlamentarischen Opposition, reichlich Gegenwind verursachen. Einen Vorgeschmack, nicht den ersten, erlebte Kretschmann nach seiner Ankündigung, wegen der riesigen Beamtenpensionslasten, die auf Bund und Länder zurollen, mit seinen Ministerpräsidenten-Kollegen über Einschnitte reden zu wollen. Die Entrüstung fiel heftig aus. In Bayern – die Nachtigall trapst –, wo die CSU im Blick auf die Landtagswahl am 15. September gut Freund sein will mit ihren Staatsdienern, und bei CDU wie FDP im Land ohnehin, die eine Abstrafung der Südwest-Grünen bei der Bundestagswahl eine Woche darauf von Herzen herbeisehnen und -reden wollen. Zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit erregt sich die Opposition über die angeblich unseriöse Haushaltspolitik der Landesregierung – und hätte allen Grund, sich an die eigene Nase zu fassen. Denn das 2,5-Milliarden-Loch, das dem Regierungschef nach eigenem Bekunden viele schlaflose Nächte verschafft, besteht zu drei Vierteln aus Zinsen für Altschulden, die die Vorgängerregierungen über Jahrzehnte anhäuften.
So oder so steht in Sachen Sparen ein heißer Herbst ins Haus. Dabei macht auch Kretschmann kein Hehl daraus, dass er sich Strategie und Ablauf der ersten zweieinhalb Jahre ganz anders vorgestellt hatte. Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid bastelt sich sein Superministerium, die SPD will auf Augenhöhe regieren, der Ministerpräsident hält das löbliche Prinzip der Ressortverantwortung hoch und erwartet – im wahrsten Sinn des Wortes – einschneidende Vorschläge. Nach dem Motto: Wenn schon Ärger, dann richtig. So hätte der Grüne den 240.000 Beamten („Jammern auf hohem Niveau“) und 70.000 Pensionären eine Nullrunde zugemutet, konnte sich aber nicht durchsetzen. Mit wächserner Miene stand er danach neben seinem Finanzminister, der erläuterte, warum der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst mit einem Plus von 5,6 Prozent in zwei Jahren entgegen der ursprünglichen Ankündigung auf die landeseigenen Beamten übertragen wird – sozial gestaffelt und mit einigen Monaten Verspätung.
Millionen-Beträge für Stuttgart 21
Jetzt will Kretschmann „viele kleine Summen einsammeln“. Die Sparschweine gilt es zu schlachten und die Ecken auszukehren. Der Stammtisch will weniger Dienstautos, billigere Politikerreisen und mehr Arbeit für Lehrer und Lehrerinnen. Die Stuttgart-21-Gegner haben die Millionen im Blick, die im Milliardenprojekt vergraben werden. Die Opposition wiederum verlangt nach der Wiedereinführung der Studiengebühren, was 180 Millionen Euro bringen würde, leistet sich allerdings auch Vorschläge, die auf der Soll- statt der Habenseite zu Buche schlagen. So brachte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke die Zahl von 6.000 Lehrerstellen ins Gespräch, die statt der vereinbarten 11.600 gestrichen werden sollten. Finanzierungsvorschlag: Fehlanzeige.
Kretschmann will die Schuldenbremse. Seine im Herbst beginnende Amtszeit als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz möchte er nutzen, um eine weitere Föderalismusreform-Kommission zu gründen und den Länderfinanzausgleich, der das Geberland Baden-Württemberg seit Jahrzehnten so viel Geld kostet, doch noch politisch statt per Klage neu zu regeln. In der SPD wird anders argumentiert: Wenn schon das vergleichsweise reiche Baden-Württemberg solche Probleme hat mit seinen finanzpolitischen Hausaufgaben, wie sollen dann wirtschaftlich schwächere Länder es schaffen, ab 2020 ohne neue Kredite auszukommen?
„Zwei Kulturen“, sagt ein Finanzfachmann der Grünen, „prallen da aufeinander.“ Die SPD hänge eher an „symbolhaften Gesten“, und die Grünen „denken von der Bilanz her, die 2016 auf dem Tisch liegen muss“. Das klassische Drama lebt von der Steigerung hin zum Höhepunkt der Handlung – und vom angestrengten, nicht immer erfolglosen Bemühen, der Sache doch noch ein gutes Ende zu geben. „Niemand weiß“, weiß Kretschmann mit Goethe, „wie weit seine Kräfte gehen, bis er sie versucht hat.“
■ Dies ist die gekürzte Version des Artikels „Schlachtet die Sparschweine!“. Der vollständige Artikel kann in der Online-Ausgabe von Kontext:Wochenzeitung gelesen werden.